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Zurueck ins Glueck

Titel: Zurueck ins Glueck
Autoren: Suzanne Higgins
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über die Lippen. »Ab in die Höhle des Löwen.« Er nahm seine Schwester am Arm. »Unsere Nobelkarosse wartet schon.«
     
    Um zwei Uhr war rund um die kleine Kirche von Fiddler’s Point kein Parkplatz mehr zu finden. Drei Mercedes-Stretchlimousinen nahmen den gesamten Platz vor der Kapelle ein, die vor zweihundert Jahren erbaut worden war, als man derartige Probleme noch nicht gekannt hatte. Die umliegenden schmalen Straßen waren mit den Autos der Besucher verstopft.
    Samantha hatte sich gleich bei ihrem ersten Besuch in Fiddler’s Point in das Dorf verliebt. Zwar waren sämtliche Zubringerstraßen in einem katastrophalen Zustand, aber über solche Kleinigkeiten sah sie großzügig hinweg. Falls die irische Fremdenverkehrsbehörde je nach einem malerischen alten Fischerdörfchen suchen sollte, um damit für Irland zu werben, würde sie es hier finden, hatte sie damals gedacht.
    Hier in Fiddler’s Point war die Brennerei Judges Whiskey gegründet worden. Nachdem es James Judge dem Ersten gelungen war, damit ein kleines Vermögen zu verdienen, hatte er das Herrenhaus Dunross Hall bauen lassen. Nach ihm führte sein Sohn Edward den Familienbetrieb weiter; jener Edward, der die immer noch allgemein beliebte Granny Vic geheiratet hatte. Victoria und Edward Judge wurden 1927 getraut, ein Jahr später kam ihr erster Sohn Charles zur Welt. Elf Jahre lang führten
sie ein sorgenfreies Leben in Luxus und Überfluss, das nur durch den Umstand getrübt wurde, dass Victoria zu ihrem großen Kummer keine weiteren Kinder mehr bekam.
    1939 wurde Edward zum Kriegsdienst eingezogen. Als er 1944 zurückkehrte, war er ein anderer geworden; er hatte jegliche Freude am Leben verloren und war nun still und in sich gekehrt. Zur Überraschung aller wurde Victoria im fortgeschrittenen Alter von vierunddreißig Jahren erneut schwanger. Zu dieser Zeit war ihr Erstgeborener Charles Judge sechzehn und brannte darauf, selbst in den Krieg zu ziehen. Gegen Victorias Willen gab Edward seine Einwilligung. Anfang April fiel Charles bei seinem ersten Kampfeinsatz, und am dreißigsten April schenkte Victoria James Judge dem Zweiten das Leben. Am selben Tag beging Hitler Selbstmord. Der Krieg war vorüber.
    Doch Victorias Elend dauerte an. Ihr Erstgeborener war nur wenige Wochen vor der Geburt ihres zweiten Sohnes gestorben. Der Krieg und Charles’ Tod hatten Edward zu einem gebrochenen Mann gemacht. Er konnte es sich nicht verzeihen, dem Jungen gestattet zu haben, in die Armee einzutreten. Seinem zweiten Sohn James schenkte er keinerlei Beachtung, sondern vergrub sich in der Arbeit in der Brennerei.
    Dieses Baby James war Camerons Vater. Und nun war es an Cam, die Brennerei zu leiten, als vierte Generation von Judges, die die irische Whiskeyindustrie beherrschte.
     
    Samantha kannte die Familiengeschichte in allen Einzelheiten, weil sie die letzten fünf Jahre für die Judges gearbeitet
hatte. Sie hatte die Besichtigungstouren durch die alte Brennerei ins Leben gerufen, die sich zu einem durchschlagenden Erfolg entwickelt und Fiddler’s Point eine zusätzliche Finanzspritze beschert hatten. Nach einem fünfundvierzigminütigen Rundgang durch die Brennerei schlenderten Busladungen von Touristen durch das hübsche Dorf und knipsten, was das Zeug hielt. Bald wurde in Fiddler’s Point ein Café und ein Andenkenladen eröffnet. Die Leute strömten in Scharen herbei, ließen eine Menge Geld im Dorf und verschwanden wieder. Ja, dachte Samantha voll tiefer Befriedigung, Fiddler’s Point hatte den Judges viel zu verdanken.
    Wenn man, wie sie heute, aus der Richtung von Wicklow auf das Dorf zufuhr, stellte die neue Tankstelle am rechten Straßenrand den ersten Hinweis darauf dar, dass man sich einer Ortschaft näherte. Ein kleines Stück weiter auf der linken Seite, kurz bevor die Straße einen steilen Hügel hinunterführte, stand die Statue des Tanzenden Fiedlers.
    Er maß fast drei Meter, wirkte aus der Entfernung jedoch eher klein. Die Züge der Bronzefigur waren fein herausgearbeitet, sogar die Wimpern konnte man deutlich erkennen. Ein immerwährendes Lächeln lag auf seinem freundlichen Gesicht, seine lachenden Augen waren so konzentriert auf seine Hände und Finger gerichtet, als würde er der Fiedel wirkliche Töne entlocken. Eine flache Kappe saß schief auf seinem Kopf. Er tanzte zu seiner eigenen Musik, und für Samantha war es ein ewiges Rätsel, wie es möglich war, dass eine so schwere Bronzefigur so leichtfüßig und anmutig wirkte. Der
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