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Zurück ans Meer

Titel: Zurück ans Meer
Autoren: dtv
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ungeduldig, nach Klarheit zu suchen, wenn ich verwirrt bin, und am Ende zu wissen, dass mir Gnade zuteil wird, wenn ich mir
     selbst treu bleibe, obschon ich sie nicht selbst herbeiführen kann.
    Eine rasche Überprüfung der Vorräte in Mrs MacDonalds Küche erinnert mich daran, dass ich einiges zu ersetzen habe, daher
     ziehe ich einen Pullover über und laufe zum Lebensmittelladen, bevor er schließt.
    »Sie verlassen uns also morgen?«, fragt Katrina emotionslos.
    »Ja«, antworte ich direkt, obwohl mich ihre Frage schlucken lässt. »Und ich bin überhaupt nicht glücklich darüber.«
    »Werden Sie wiederkommen?«, drängt sie.
    »Oh ja, ich komme wieder«, antworte ich, schaue mir jetzt die Wollmützen und T-Shirts an, auf denen »Iona« steht, und werfe mehrere davon, zusammen mit einem Dutzend Postkarten, in meinen Korb.
    »Und haben Sie gefunden, wonach Sie gesucht haben?«, fragt sie.
    »Allerdings, und noch mehr.« Ich ziehe einen kleinen herzförmigen Stein aus der Tasche und lege ihn auf den Tresen. »Den habe
     ich an der Steinbucht gefunden und dabei an Sie gedacht«, sage ich. »Vielen Dank, dass Sie mir den Weg gewiesen haben.«
    Katrina errötet und senkt den Kopf. Da mehrere Menschen den Laden betreten haben, zieht sie sich hinter den Tresen zurück.
    »Das wäre alles«, sage ich und lege meine Einkäufe auf den Tresen. »Oh, und würden Sie bitte noch eine Flasche Single-Malt
     und eine Flasche Ihres besten Ports hinzufügen?«
    »Sind wohl gut bei Kasse, was?«
    »Nur dankbar«, antworte ich.
    »Zweiundzwanzig Pfund dreißig«, sagt sie lapidar. Ich weiß, es liegt ihr nicht, Emotionen zu zeigen, also sehe ich davon ab,
     sie zu umarmen. Aber Händeschütteln erscheint mir zu kühl und zu wenig.
    »Kommen Sie heute Abend zum
ceilidh
[ausgesprochen
kei - lih ]?«
, fragt sie.
    »Was ist das denn?«
    »Eine Versammlung aller Inselbewohner in der Dorfhalle. Zu Beginn und zum Ende jeder Jahreszeit halten wir eine ab«, erklärt
     sie. »Da wird gesungen und getanzt. Das Argyll sorgt für die Verpflegung. Wird sicher ein schöner Abend.«
    »Aber ich bin keine Inselbewohnerin«, sage ich verwirrt.
    »Sie könnten aber glatt eine sein. Nachdem Sie hier seit drei Wochen leben, nennt Sie niemand mehr die Amerikanerin, oder?
     Das wäre doch eine nette Möglichkeit für Sie, sich zu verabschieden.«
    Da ich für heute Abend nichts geplant habe und sie so beharrlich ist, erwidere ich: »In Ordnung. Wann?«
    »Um sieben«, sagt sie mit einem Lächeln.
     
    Mehrere Stunden später, nachdem ich meinen Rock aus dem Rucksack gewühlt habe, lege ich einen neu gekauften Tartan-Schal um
     meine Schultern, bürste mein Haar auf und begebe mich in Richtung der Musik und des Geruchs von gegrilltem Fleisch. Daniel
     und seine Mannschaft bauen gerade das Essen auf – ein gebratenes Schwein, mehrere Salate, jede Menge Kartoffeln und natürlich
     Shortbread, Buttergebäck, zum Nachtisch. Drinnen hat sich jemand die Mühe gemacht, die ziemlich düster gestrichenen Wändeund die dunkle Holztäfelung mit bunten Weihnachtslichterketten aufzuhellen, die kreuz und quer über die Decke gespannt sind.
     Die Halle ist gedrängt voll – alle Plätze entlang der Wände sind besetzt, und an den wenigen Tischen sitzen hungrige Fischer
     und Bauern, sichtbar darauf erpicht, sich auf das leckere Essen zu stürzen. Ich verspüre das Bedürfnis, jemandem zu sagen,
     dass ich tatsächlich eingeladen wurde, suche den Raum nach einem Menschen ab, den ich kenne. Ich entdecke nicht ein vertrautes
     Gesicht, also strebe ich auf die Tür zu, als Dolores gerade eintritt. »Himmel, wie gut, dass Sie da sind«, sage ich. »Ich
     hatte gehofft, wir könnten noch mal zusammen wandern, aber meine Zeit ist abgelaufen.«
    »Sie verlassen uns also? Wie schade.«
    »Morgen früh, mit der ersten Fähre geht’s los«, teile ich ihr mit. »Katrina meinte, das hier könnte eine gute Möglichkeit
     sein, mich zu verabschieden. Ich war noch nie bei einem
ceilidh

    »Dann werden Sie was erleben«, sagt sie und beäugt meine Füße. »Gut, dass Sie flache Schuhe anhaben. Hier kann es ganz schön
     wild werden.«
    »Ich muss doch nicht etwa tanzen?«
    »Wenn Sie im Raum sind, wird jemand Sie finden. Auf dieser Insel gibt es mehr Männer als Frauen. Bestimmt werden Sie in kürzester
     Zeit einen Partner haben.«
    Ich merke, wie sich mein Magen verkrampft. Ich bin gekommen, um zu beobachten, nicht um teilzunehmen.
    »Lassen Sie uns was trinken«, schlägt
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