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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn
Autoren: Robert Asprin
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über seinem Kopf, verliehen dem Raum ein ockerfarbiges Licht. Ganz bestimmt war es noch nicht Morgen. Samlor war jedoch nicht imstande, sich ein Bild von der Quelle dieses Lichtes zu machen.
    Die Wasserorgel mußte sich noch in einiger Entfernung von diesem Gewölbe befinden, aber ihre Musik ließ die Wände stark vibrieren. Aus ihren höheren Tönen klang erotische Liebe und aus den tiefen schwärzeste Angst, wie Samlor sie vor Stunden als Druck im Bauch gespürt hatte; Sinnenlust und brennender Haß sprudelten aus den mittleren, Samlors Hand verkrampfte sich um den Dolchgriff. Es fehlte nicht viel und er hätte in diesem leeren Raum wild mit der Waffe um sich geschlagen. Er zwang sich tief zu atmen, bis er sich wieder ganz in der Gewalt hatte, und steckte den Dolch einstweilen wieder ein.
    Er ging auf den Türbogen in der Mitte der Halbkreiswand zu. Nur zu sehr war er sich der Hautabschürfungen bewußt, die er sich in dem schmalen Tunnel zugezogen hatte, und der Muskelzerrung in der Leistengegend, für die der Kampf mit dem ehemaligen Priester verantwortlich war. Ich bin eben nicht mehr der Jüngste, sagte er sich. Dann grinste er finster und dachte, daß er sich jetzt wohl kaum noch große Sorgen über das Älterwerden machen mußte.
    Der Boden war mit Kissen und dicken Brokatdecken überhäuft. Es gab auch noch andere Dinge hier, die ungewöhnlich, aber deren Zweck erkennbar war. Samlor hatte sehr viel von der Welt gesehen, doch sein persönlicher Geschmack war unverdorben geblieben. Er dachte an Samlane, und Wut packte ihn. Aber diesmal verkrampfte seine Hand sich nicht um den Dolchgriff, sondern um das Heqt-Medaillon. Er trat mit dem Fuß nach einem Ständer mit Peitschen. Er kippte um und fiel gegen ein dreistöckiges Ebenholzgestell mit Seidenfesseln, das mit einer Kurbel an einem Ende verstellt werden konnte.
    Es ist nicht für Samlane, dachte Samlor grimmig. Es ist für die Ehre des Hauses derer von Kodrix. Und vielleicht - vielleicht für Heqt. Er war nie ein frommer Mann und immer der Meinung gewesen, daß es das beste sei, wenn die Götter die Dinge unter sich selbst ausmachten.
    Aber es gab eben doch so einiges, das kein Mann sich bieten lassen konnte.
    Nun, kein Mann stimmte vielleicht nicht. Aber er, Samlor hil Samt, konnte es jedenfalls nicht einfach hinnehmen. Vielleicht war er ein Narr und Fanatiker, aber er würde, noch ehe die Nacht herum war, Schluß mit einem Dämon machen, oder bei dem Versuch selbst sterben.
    Da das Licht von oben kam, hatte Samlor die Reliefs nur als Schattenmuster an der Wand bemerkt. Doch nun, da er sich dem Türbogen näherte, sah er die Einzelheiten. Er blieb stehen, um sie sich genauer anzusehen. Sie verliefen als Friese über den polierten Stein. Die Gesichter der Abgebildeten waren mit solcher Sorgfalt ausgearbeitet, daß es aussah, als hätten lebende Menschen Modell gestanden. Samlor blickte hoch. Selbst das Gewölbe war mit Reliefs verziert. Es war unmöglich zu sagen, wie und wann sie aus dem Stein gehauen waren, ja, Samlor hätte nicht einmal zu sagen vermocht, welcher Art dieser kremfarbige, gemaserte Stein war, denn er schien viel härter als Marmor zu sein.
    Doch die Zeit drängte. Da er wußte, daß ihm möglicherweise nur noch eine kurze Spanne blieb, folgte Samlor einer Reihe dieser Abbildungen. Sie belegte ohne Zweifel die ungeahnte Einheit des »Zauberers« Hast-ra-kodi mit der »Göttin« Dyareela. Samlor starrte auf das Schlußbild und schluckte schwer. Er war unendlich froh, daß er in keine der beiden Rüstungen geschlüpft war, als er die Gelegenheit dazu gehabt hatte.
    Die Reliefs stanken geradezu nach Blutvergießen und Unterdrückung. Hunderte von Malen an Hunderten von Orten hatten Könige und Priester die Dyareela-Verehrung unterbunden. Aber die Rituale waren heimlich weitergeführt worden und hatten sich von diesem Krebsgeschwür in den Gewölben unter Freistatt weiter ausgebreitet. Ein Schrein in der Öde war dies hier gewesen, ehe die Stadt entstand. Und selbst als die Stadt fertig war - ein ruchloser, führerloser Ameisenhaufen -, suchte niemand sonderlich eifrig nach dem Herzen des Bösen, da seine Tentakel allumschlingend waren.
    Alar hil Aspar - ein kühner Fremder, ein Neuerer, dessen Brust vom Sieg über die Banditen geschwellt war - hatte schließlich den Dyareela-Tempel dem Erdboden gleichgemacht, und statt Salz zu säen, hatte er dort, wo er gestanden hatte, einen Tempel zu Ehren Heqts errichtet, der Göttin, in deren Verehrung er
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