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Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Elisabeth Hering
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weißen unterscheiden konnten? Bei Gottes Erbarmen, das er dereinst zu finden hoffte - nie hatte er dieses Fastengebot gebrochen! Was also dann hatte er versäumt?
    Am Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen hatte er nicht mit dem Schwert teilgenommen. Aber der Beherrscher der Gläubigen braucht dafür auch nicht Männer der Wissenschaft, sondern waffenerprobte Krieger, und die Gelehrten haben gegen die Ungläubigkeit einen anderen Kampf auszufechten, der freilich nicht minder wichtig ist, sonst hätte nicht der Hochgelobte nach unbezweifelbarer Überlieferung gesagt: »Am Tage der Auferstehung ist die Tinte der Gelehrten gleich dem Blute der Märtyrer.« Und wie viel Tinte war nicht schon zur Verteidigung der Glaubenslehre und ihrer Gebote aus seiner Feder geflossen!
    Almosen? Hatte er nicht die Almosensteuer, bei der so viele Hinterziehungen Vorkommen, immer redlich entrichtet, und war jemals ein Bettler ungespeist von seiner Türe gewiesen worden? Abu Hafs presste die Stirn an die Fensteröffnung, und der Nachtwind griff nach seinen Haaren. Am Himmel zeigte sich der erste Streifen des heraufdämmernden Tages. Da warf er sich zu Boden.
    »Du Herr des Ostens und des Westens«, betete er, »es gibt keinen Gott außer dir! Du spaltest die Finsternis, damit der Tag daraus hervorbreche, und den Dattelkern, damit die Palme daraus sprosse. Spalte auch mein Herz, damit die Erkenntnis dessen, worin ich gefehlt habe, zum Vorschein komme, und sage mir, was ich tun soll!«
    Wie lange er danach in schweigender Hingabe ausgestreckt lag - ob er das Verblassen des Mondes wahrnahm, das Erwachen des Morgens, den die Vögel mit lauten Stimmen willkommen hießen — wer könnte es sagen. In seinem Herzen wurde nur eine Stimme laut, die sich weder zum Schweigen bringen noch übertönen ließ: »Die Wallfahrt! Du hast noch niemals eine Wallfahrt zu den heiligen Stätten unternommen!«
    Als Abu Hafs sich endlich erhob, sah sein Gesicht grau und verfallen aus. Alle Gefahr und Mühsal der Reise erstand vor seinem Auge: die gefährliche Überfahrt, der beschwerliche Landweg über Berg und Tal, durch Wälder und Wüsten zu Pferde! Vier Monate im Sattel!
    Wie viele schon sind zu Fuß gegangen?
    Aber mein Bart beginnt bereits grau zu werden.
    Wer hat dich denn daran gehindert, die Reise zu unternehmen, als er noch schwarz war?
    Und die Kinder? Wer wird sie unterrichten?
    Es wird sich ein Lehrer finden lassen.
    Meine Töchter sind noch nicht verheiratet.
    Das hat Zeit, bis du wiederkommst.
    Und die Wegzehrung? In diesem Jahr, wo die Ernte kaum für die Hausgenossen ausreicht und nichts übrig bleibt, was man zu Geld machen könnte!
    Weißt du, wie bald dir die letzte Reise bevorsteht? Wo willst du für sie dann die Wegzehrung hernehmen?
    Nein, ein Ausweichen gab es nicht mehr.
    So behutsam, wie er sich von seinem Lager erhoben hatte, legte er sich in seinen Kissen wieder zurecht. Und nun, da er mit seinem Herzen ins reine gekommen war, fand er endlich auch Schlaf.

    Abu Hafs ließ kein Wort laut werden von seinem Entschluss. Warum die Frau, die Kinder und das Gesinde beunruhigen, ehe es notwendig war? Es blieb ihm ja noch ein Vierteljahr Zeit, sein Haus zu bestellen und das notwendige Reisegeld zu beschaffen. So lange wenigstens sollte Boreiha sich keine Sorgen machen müssen.
    Wenige Tage, nachdem Abu Hafs seinen Entschluss gefasst hatte, betrat ein Bettler den Gutshof der Burg Thorosch. Er sah so zerlumpt aus, dass die Hunde wie rasend bellten und Besbasa ihn sicherlich gar nicht eingelassen hätte, wenn nicht ihr Herr zufällig gerade in Hörweite gewesen wäre und sie befürchtet hätte, gescholten zu werden.
    So gab sie ihm den Rest der Fischsuppe, der vom Mittag übrig geblieben war - man aß viel mehr Fisch als in anderen Jahren, das Meer wenigstens versagte den Menschen seine Ernte nicht -, und der Bettler löffelte so gierig wie einer, der seit Tagen nichts Ordentliches gegessen hat.
    Besbasa hoffte, er werde sich nach der Mahlzeit erheben und seines Weges gehn. Aber er blieb mit untergeschlagenen Beinen stumm und reglos am Boden sitzen, und sie brachte es nicht über sich, ihn aufzuscheuchen. Erst als Abu Hafs selbst gegen Abend die Küche betrat, erhob er sich. Der zerfetzte Leibrock schlotterte lose und schmutzig um seine Hüften, und der Turban, dessen Farbe nicht zu bestimmen war, rutschte ihm fast vom Kopf, als er sich verneigte, aber sein Gesicht, nicht alt und nicht jung, war scharf geschnitten, und die Augen verrieten
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