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Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)

Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)

Titel: Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
Autoren: Sabina Schneider
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die großen Führer nichts von ihrer Existenz wussten oder wissen wollten. Und so sollte es nach der Meinung der Dorfbewohner und ihres Aufsichtsmeisters Merez Oberson auch bleiben.
    Laura konnte sich glücklich schätzen, in Krem als eine Oberson geboren worden zu sein. Als Tochter des einflussreichsten Mannes im Dorf standen ihr alle Türen offen. Alle Bewohner waren nett zu ihr und es buhlten mehr Freier um ihre Gunst, als es aufgrund ihrer Schönheit sowieso schon getan hätten. Ungewöhnlich für ihr Alter trug Laura ihr knielanges blondes Haar immer noch kindlich offen. Ihr Körper war bereits an den richtigen Stellen gerundet und jedes andere Mädchen hätte schon ihr Haar aus Anstand hochgesteckt oder geflochten getragen, wie es die Tradition verlangte.
    Doch nicht Laura. Denn es war auch schon von jeher Tradition gewesen, dass die Tochter des Aufsichtsmeisters tat, was sie wollte und bekam, was sie wollte. Sie scherte sich wenig um Traditionen. Wie von ihrer Einstellung hob sie sich auch von ihrer Kleidung von den übrigen Dorfbewohnern ab. Meist trug sie Baumwolle, anstatt des üblichen Leinen, manchmal auch Seide. Die Farbe des seltenen Stoffes war meist auf das leuchtende Grün ihrer Augen abgestimmt und stach aus der kleinen überschaubaren Menge heraus. Da sich nur selten Händler oder Reisende nach Krem verirrten, waren alle Stoffe ein sehr kostbares Gut, die nicht aus Leinen oder Schafwolle gewebt oder gestrickt waren. Nur wenige im Dorf konnten es sich leisten, mehr als nur ein gutes Sonntagskleid zu besitzen. Im Großen und Ganzen war die Tochter des Aufsichtsmeisters eine mehr als angenehme Erscheinung in kostbarer Verpackung.
    So wie es in jeder Gemeinschaft einen jungen Mann gab, den sich alle Mütter als Schwiegersohn wünschten, war es diese junge Dame, die das Herz einer jeden Mutter in Krem höherschlagen ließ, die einen Sohn im Alter von elf bis zwanzig Jahren hatte. Laura Oberson war wunderschön, aus einflussreicher Familie, im heiratsfähigem Alter und noch zu haben. Laura genoss diese Aufmerksamkeit in vollen Zügen, seit sie sechs war. Vor allem die des anderen Geschlechts. Sie liebte das Gefühl der Verliebtheit und war verliebt in die Liebe. Mütter wie auch Söhne summten um sie herum wie Bienen um die schönste Rose im Garten.
    Aber die Tochter des Aufsichtsmeisters ließ sich Zeit mit der Wahl, denn sie war nicht dumm. Sie wusste, sobald sie sich entschieden hatte, wäre es vorbei mit der Aufmerksamkeit, den vielen kleinen Geschenken, die sie so sehr liebte. Und so kamen und gingen die Jünglinge, denen sie sich für eine Weile zuwandte. Die Mütter immer den Atem anhaltend: Würde sie sich für ihren Sohn entscheiden?
    In diesem Herbst war Lauras letztes Schuljahr angebrochen. Im Gegensatz zu anderen Jugendlichen, die es nicht erwarten konnten erwachsen zu werden, sah Laura dem Ende ihrer Schulzeit mit Bedauern entgegen. Sie mochte die Schule, in der alle Kinder und Jugendliche des Dorfes zusammen in einer großen Holzhütte, etwas abseits auf einem Hügel gelegen, unterrichtet wurden. Laura saß schon von jeher in der ersten Reihe, war eine gute Schülerin und bekam gute Noten. Ob es daran lag, dass Frau Schimmerlin, die Lehrerin, auch einen Sohn im Alter von fünfzehn Jahren hatte und für eine Bewohnerin des Dorfes Krem überdurchschnittlich ambitioniert war, sei dahingestellt.
    Heute freute sich Laura besonders auf den Unterricht. Es hatte sich etwas Seltenes in Krem ereignet: Jemand war neu dazu gezogen. Dieser jemand hatte einen Sprössling, der ab heute mit ihnen am Unterricht teilnehmen würde. Ob es sich dabei um einen Jungen oder ein Mädchen handelte, war Laura eigentlich egal. So wie sie die Aufmerksamkeit der Jungen mochte, genoss sie auch die Bewunderung der Mädchen. Ihr Herz machte jedoch einen freudigen Sprung, als ER zur Tür hereinkam.
    „Das ist Laurenz Anderlieb. Er wird ab heute mit euch am Unterricht teilnehmen“, stellte Frau Schimmerlin den jungen Mann vor. Ein für die kleine Gruppe erstaunlich lautes Raunen ging durch den Raum. Zwölf Augenpaare hafteten an ihm und saugten alle Informationen auf, die sein Äußeres preisgab.
    Überdurchschnittlich groß erinnerte Laurenz mit seinen durchtrainierten Oberarmen eher an einen Mann, als an einen Jüngling. Schulterlange schwarze Locken umrahmten sein markantes Gesicht. Aber es waren seine Augen, die jedes weibliche Wesen im Raum, egal welchen Alters, aufgeregt nach Luft schnappen ließen. In der Farbe von
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