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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
Autoren: Jack Finney
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rieb die Hände aneinander, strich sich die Krümel ab und stopfte einige zusammengeknüllte Wachspapierbälle in seine Essenstüte. Dann stand er schnell und behände auf, der Exfootballer. »Sie wissen, wovon ich rede, Si. Die einzige Möglichkeit, es zu tun, ist einfach darauf loszugehen und es anzupacken.«
    Ich stand ebenfalls auf, wir gingen zu einem Abfallbehälter aus Drahtgitter, der an einem Baum befestigt war, und warfen unsere Abfälle hinein. Als ich mit Rube zu dem Weg zurückkehrte, fühlte ich genau, dass sich mein Puls beschleunigt hatte; ich fürchtete mich ein wenig. Mit einer Gereiztheit, die mich selbst überraschte, sagte ich: »Sie verlangen, dass ich verdammt noch mal dem Gerede eines mir völlig Fremden glaube! Was, wenn ich an diesem großen Geheimnis teilnehme und feststelle, dass das alles überhaupt nicht so faszinierend ist?«
    »Unmöglich.«
    »Und wenn es doch so ist?«
    »Sind wir erst einmal davon überzeugt, dass Sie ein Kandidat sind, und haben wir Sie darüber aufgeklärt, was wir vorhaben, müssen wir uns auf Sie verlassen können. Wir brauchen Ihre Zusage vorher.«
    »Werde ich von hier wegziehen müssen?«
    »Über kurz oder lang, ja. Wir werden uns für Ihre Freunde eine Geschichte ausdenken. Wir können es uns nicht leisten, dass sich jeder wundert, warum Si Morley verschwunden ist.«
    »Ist es gefährlich?«
    »Nein, das glauben wir nicht. Aber es entspräche nicht der Wahrheit, wenn wir behaupteten, es genau zu wissen.«
    Als wir im Park in Richtung Ecke Fifth Avenue und 59th Street gingen, dachte ich über das Leben nach, das ich seit meiner Ankunft in New York City vor zwei Jahren geführt hatte. Ich war als Fremder mit einer Mappe voller Zeichnungen unter dem Arm aus Buffalo angekommen und hatte einen Job als Grafiker gesucht und gefunden. Hin und wieder ging ich mit Lennie Hindesmith, einer Grafikerin, zum Abendessen, mit der ich bei meinem ersten New Yorker Job zusammengearbeitet hatte. Nach dem Essen gingen wir gewöhnlich ins Kino oder manchmal auch zum Bowling. Mit Matt Flax, einem jungen Buchhalter meiner Agentur, spielte ich oft Tennis, im Sommer auf öffentlichen Plätzen, im Winter im Armory. Er war es auch, der mich in das Bridgespiel am Montagabend eingeführt hatte, und wir waren wahrscheinlich gerade dabei, gute Freunde zu werden. Pearl Moschetti war Angestellte in einer Parfümerie in dem Gebäude, in dem ich zuerst gearbeitet hatte; seitdem sah ich sie hin und wieder, manchmal auch ein ganzes Wochenende lang, obwohl unser letztes Treffen bereits einige Zeit zurücklag. Ich dachte an Grace Ann Wunderlich aus Seattle, die ich zufällig in der Longchamps-Bar an der 49th und Madison kennengelernt hatte, als sie aus einem überwältigenden Einsamkeitsgefühl heraus angefangen hatte zu weinen. Sie saß ganz allein an einem Tisch und hatte einen Drink vor sich, den sie nicht mochte, während jeder andere in dem Laden sich zu amüsieren schien. Jedes Mal, wenn ich sie später wieder traf, meist in einer Bar im Village, tranken wir zu viel, und alles verlief genau nach dem Muster unseres ersten Zusammentreffens. Manchmal ging ich auch alleine dorthin, da ich die Barkeeper nun kannte und auch einige der Stammgäste und sie mich an eine wahrhaft herrliche Bar erinnerte, in der ich einige Male während eines Urlaubs in Sausalito, Kalifornien, war, die No-Name-Bar hieß. Am häufigsten jedoch musste ich an Katherine Mancuso denken, ein Mädchen, das ich immer öfter traf, das Mädchen, das ich vielleicht fragen wollte, ob sie mich heiraten wolle.
    Die erste Zeit meines Lebens in New York war einsam gewesen; damals wäre ich sofort dem Ruf gefolgt und gegangen. Jetzt verbrachte ich zwar immer noch zwei oder drei oder auch mehr Nächte in der Woche alleine – ich las, sah einen Film, den Katie nicht sehen wollte, saß zu Hause vor dem Fernsehapparat oder ging manchmal auch nur in der City spazieren –, aber nun machte es mir etwas aus. Ich hatte Freunde, ich hatte Katherine, und mir gefiel es, etwas Zeit für mich selbst zu haben.
    Und dann dachte ich über meine Arbeit nach. Sie wurde in der Agentur geschätzt, die Leute dort mochten mich, und ich bekam ein gutes Gehalt. Die Arbeit war nicht exakt das, was ich mir, als ich in Buffalo zur Art School ging, vorgestellt hatte. Aber was das genau gewesen war, konnte ich auch nicht mehr sagen. Wer weiß, ob ich mir überhaupt etwas konkret vorgestellt hatte.
    Alles in allem lief in meinem Leben nichts richtig verkehrt.
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