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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis
Autoren: David S. Garnett
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selbst noch auf dem ho­hen ge­schnitz­ten Stuhl saß, von dem aus er die Schlacht be­ob­ach­tet hat­te, war nur noch sehr we­nig üb­rig. Al­le Pfer­de und Rit­ter wa­ren ent­we­der ge­flo­hen oder la­gen tot am Bo­den, un­ter den letz­te­ren der ers­te Mi­nis­ter und der Leib­arzt des Kö­nigs. Ein ähn­li­ches Schick­sal hat­te auch die Grup­pe von He­rol­den und Pa­gen er­eilt, de­nen zum größ­ten Teil Pfei­le aus dem Rücken rag­ten. Den meis­ten An­ge­hö­ri­gen der Leib­wa­che At­ti­las war es ge­lun­gen, recht weit zu flie­hen, be­vor sie ge­tö­tet wur­den. Der Hof­narr kau­er­te ne­ben dem Holz­thron Sei­ner Ma­je­stät bei den Lieb­lings­mä­tres­sen. Ih­re sei­de­nen Un­ter­rö­cke wa­ren zer­knit­tert und durch­ein­an­der, und ih­re par­fü­mier­ten und ge­lock­ten Pe­rücken la­gen wie rie­si­ge zer­quetsch­te Spin­nen im Staub. Dann beug­te Kö­nig At­ti­la sich plötz­lich nach vor­ne, kipp­te mit sei­nem Stuhl um und fiel auf die drei an­de­ren. Nur der Zau­be­rer, Fell, stand noch und brach­te ru­hig je­des der schwar­zen, men­schen­ähn­li­chen Din­ger um, das zu na­he kam oder einen Pfeil oder einen Speer auf die klei­ne Grup­pe von Über­le­ben­den rich­te­te. Nach ei­ner Wei­le wa­ren al­le ge­heim­nis­vol­len An­grei­fer ver­schwun­den.
    „Selt­sam“, hör­te Sir Guy den Kö­nig sa­gen, ge­ra­de als es ihm ge­lang, sich den Helm her­un­ter­zu­zer­ren.
    Die bei­den Frau­en stan­den auf, klopf­ten sich den Staub von ih­ren Klei­dern ab und setz­ten die Pe­rücken wie­der auf ih­re ra­sier­ten Köp­fe.
    Auch der Hof­narr stand auf. Fell dreh­te sich her­um. Sei­ne wei­ten Är­mel ver­deck­ten den Zau­ber­stab, den er in den Hän­den hielt. Und aus dem Lei­chen­hau­fen er­hob sich ei­ner der blau­ge­klei­de­ten Pa­gen, selbst nicht viel grö­ßer als die Bo­gen­schüt­zen, die sei­ne Ka­me­ra­den ge­tö­tet hat­ten. Er hob has­tig die Edel­stahl­kro­ne des Kö­nigs auf. At­ti­la schau­te um sich her­um die To­ten und Ster­ben­den an, um sich dann sei­nem Hof­zau­be­rer zu­zu­wen­den.
    „Habt Ihr et­was da­von ge­wußt?“
    Fell schüt­tel­te den Kopf. „Ich kann Euch kei­ne Er­klä­rung ge­ben, Si­re.“
    Sie stan­den ei­ne Zeit­lang da, oh­ne et­was zu sa­gen. Die ein­zi­gen Ge­räusche um sie her­um wur­den durch die ster­ben­den Män­ner und Pfer­de und die Glöck­chen an Kopf, Hand­ge­len­ken und Knö­cheln des Hof­nar­ren, die bei je­der Be­we­gung klin­gel­ten, ver­ur­sacht.
    At­ti­la sah zu dem Rit­ter. „Wie heißt Ihr?“
    Guy schluck­te ner­vös und sag­te mit zit­tern­der Stim­me: „Sir Guy von An­gel, Eu­re Ma­je­stät.“
    „Ihr scheint al­les zu sein, was von mei­ner Ar­mee noch üb­rig ist, Sir Guy“, sag­te der Kö­nig zu ihm. „Da­für und weil Ihr mich nicht ver­las­sen habt, seid Ihr jetzt mein Ers­ter Rit­ter.“
    „Ich dan­ke Euch Si­re“, sag­te Sir Guy, beug­te ein Knie und küß­te die Hand, die At­ti­la aus­streck­te.
    Dann be­fand At­ti­la dem blei­ben­den Pa­gen, er sol­le ver­su­chen, ein paar Pfer­de zu fin­den. Nach kur­z­em Nach­den­ken schick­te er ihm Sir Guy nach, um ihm zu hel­fen. Sir Guy dach­te, daß dies für einen Ers­ten Rit­ter ei­ne et­was nie­de­re Auf­ga­be war, tat aber, was ihm be­foh­len wur­de.
    Es freu­te ihn, Ba­ron Munch­bolds Lei­che un­ter den To­ten zu fin­den, aber fast so­fort fühl­te er sich we­gen sei­ner Re­ak­ti­on schul­dig. Der Ba­ron hat­te Gil­bert – so hieß Guys Pferd – in ei­nem ehr­li­chen Spiel ge­won­nen. Ver­pflich­te­te Guy jetzt nicht sei­ne Rit­ter­eh­re da­zu, das Pferd Munch­bolds nächs­ten Ver­wand­ten zu über­ge­ben? Er und der jun­ge Pa­ge sam­mel­ten ei­ni­ge Pfer­de und führ­ten sie zu­rück zu den an­de­ren. Das Pro­blem schi­en sich von selbst ge­löst zu ha­ben: Wenn Gil­bert nicht ge­fun­den wer­den konn­te, dann konn­te ihn auch kei­ner ha­ben. At­ti­la such­te sich ein Pferd aus, die an­de­ren vier eben­falls. Der trag­ba­re Thron wur­de auf ein sechs­tes Pferd ge­bun­den, des­sen Zü­gel der Pa­ge nahm. Sir Guy klet­ter­te auf das letz­te Tier.
    „Ihr“, sag­te der Kö­nig und mach­te ei­ne
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