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Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
Autoren: Eva Völler
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Wachmann fochten immer noch. Von Ferne waren Männerstimmen und hallende Stiefelschritte zu hören. Mein Nacken juckte stärker.
    »Schnell!«, rief ich.
    Sebastiano eilte Casanova zu Hilfe, indem er den Wachmann von hinten zu Fall brachte und dann auf die gleiche Weise außer Gefecht setzte wie den anderen.
    »Aber ich hatte ihn doch fast!«, rief Casanova ein wenig beleidigt.
    »Spart Euren Atem für die Flucht«, sagte Sebastiano. Er nahm Casanova den Degen wieder weg und winkte uns, ihm durch das Tor ins Freie zu folgen. Wir traten hinaus in den endlos langen Arkadengang an der Südseite des Palastes. Entlang der Mole brannten Fackeln, in deren Licht die unheimlich schwankenden Umrisse zahlloser Boote zu sehen waren, die dort am Kai lagen.
    Ich rieb mir den Nacken. »Da kommen sie!«
    Ein Trupp bewaffneter Männer kam durch den Säulengang getrampelt und näherte sich erschreckend schnell. Sie waren mindestens zu viert oder fünft, den Schritten und dem Gebrüll nach zu urteilen. Im Fackellicht konnte man ihre emporgereckten Lanzen sehen.
    »Besser, Ihr gebt mir den Degen wieder!«, rief Casanova kämpferisch.
    »Ein andermal.« Sebastiano reckte sich auf die Zehenspitzen. »Da ist die Gondel! Es wird knapp! Kommt!«
    Die Wachen waren höchstens noch ein Dutzend Schritte entfernt. Sebastiano packte mich bei der Hand, und wir rannten los. Casanova brauchte keine Extra-Einladung, er legte einen beachtlichen Sprint hin. Die Gondel war aus dem Rio di Palazzo geglitten und wartete direkt beim Ponte della Paglia auf uns. Sebastiano und ich sprangen gleichzeitig hinein, und Casanova folgte uns auf dem Fuße. Beim Einsteigen rutschte er allerdings ab und landete mit einem Bein im Wasser, doch José stieß die Gondel bereits mit dem langen Ruder von der Kaimauer ab und ruderte los wie der Teufel, hinaus in die tintenschwarze Lagune. Wir waren noch keine zwei Bootslängen von der Mole entfernt, als die wütenden Verfolger den Rand des Kais erreichten. Ein Wachmann schleuderte uns unter aufgebrachtem Gebrüll seine Lanze hinterher, die meinen Kopf um ungefähr drei Zentimeter verfehlte. Ich sah sie aus dem Augenwinkel dicht neben meinem Ohr vorbeizischen. Sebastiano stieß einen Fluch aus und zerrte mich runter, auf den Boden der Gondel. Dann krachte ein Schuss, einer der Wachmänner hatte seine Pistole zum Einsatz gebracht. Zum Glück war er ein miserabler Schütze, die Kugel pfiff weit über unseren Köpfen durch die Luft. José strengte sich an, uns mit gewaltigen Ruderstößen aus der Gefahrenzone zu bringen. Wir kamen rasch vorwärts. Die Männer waren bald nur noch ein paar schemenhafte Umrisse im Licht der Uferfackeln, und ihr Geschrei verklang in der Ferne.
    »Wer seid Ihr?« Neugierig starrte Casanova José an, der auf der hinteren Abdeckung der Gondel stand und im Licht der Bootslaterne einen wirklich sehenswerten Anblick bot. Vor allem deshalb, weil er ruderte wie ein Weltmeister, aber mit seiner klapperdürren Gestalt aussah, als bräuchte er dringend ein paar Vitamine. Kein Mensch wusste, wie alt er war. Dem Aussehen nach hätte er alles zwischen sechzig und siebzig sein können, doch für einen Zeitreisenden, vor allem für einen der Alten, war das natürlich relativ. Ich schätzte ihn auf ein paar tausend Jahre, aber Sebastiano meinte, ich würde wie immer maßlos übertreiben. José selbst verriet sein wahres Alter nicht. Sein linkes Auge zwinkerte nur nachsichtig, wenn man ihn danach fragte. Das rechte verbarg er unter einer schwarzen Augenklappe, die ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit einem in die Jahre gekommenen Piraten verlieh. Auf Casanovas Frage, wer er sei, hüllte er sich einfach in geheimnisvolles Schweigen, das tat er bei mir auch oft, wenn ich zu neugierig wurde.
    Casanova nahm es ihm nicht übel, er war zu sehr damit beschäftigt, sich über seine neu gewonnene Freiheit zu freuen. Er hockte neben mir und wrang sein triefendes Hosenbein aus, während er aufgekratzt die Ereignisse rekapitulierte.
    »Habt Ihr gesehen, wie ich dem Wachmann mit meiner Riposte zugesetzt habe? Er war schnell, aber ich war schneller! Im Parieren war ich schon immer gut. Ha, gelernt ist gelernt! Und dieser stumpfsinnige Lorenzo erst! Er wird sich gewiss in hundert Jahren noch fragen, womit ich das Loch in mein Zellendach gebohrt habe! Meine Flucht wird zu zahlreichen Spekulationen Anlass geben!«
    In dem Stil ging es noch eine Weile weiter. Sebastianos Rolle bei der ganzen Sache fiel mehr oder weniger unter den Tisch.
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