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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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Hamish beschwor …
    Unvorstellbar. Er durfte gar nicht daran denken.
    Die Panik drohte ihn zu überrollen und der geräumige Salon schrumpfte beunruhigend, bis er nur noch Mrs. Channings Gesicht sehen konnte. Sie sah ihn mitfühlend an.
    Frances stand neben ihm und legte beschwichtigend eine Hand auf seinen Arm. »Ian hat einen sehr anstrengenden Tag hinter sich«, sagte sie. »Es ist anzunehmen, dass er die langweiligsten Geister beschwören würde, die man sich vorstellen kann. Aber ich habe schon immer Sir Francis Drake bewundert und hätte gar nichts dagegen, ihn zu fragen, ob er tatsächlich Boccia gespielt hat, während er auf die Armada wartete.« Das war der erste Name, der ihr eingefallen war. Sie trat an den Tisch und blickte lächelnd zu Dr. Gavin auf. »Es sei denn, Sie zögen jemanden aus dem naturwissenschaftlichen Bereich vor?«

    »Nein, nein, Drake würde mir auch gut gefallen«, antwortete er und rückte ihren Stuhl zurecht.
    Maryanne warf einen letzten bedauernden Blick auf Rutledge und scharte ihre übrigen Gäste um sich. Dann fügte sie über die Schulter hinzu: »Falls du es dir doch noch anders überlegen solltest, Ian …«
    »Dann sage ich es dir«, antwortete er, doch seine Erleichterung wurde sogleich von der Furcht vor dem Bevorstehenden erstickt. Es war eine Farce, dieser Fimmel für Séancen, doch im Moment hatte er England gepackt und mehr als nur einige wenige Männer, die hohes Ansehen genossen, waren leichtgläubig genug gewesen, um sich öffentlich zu den Möglichkeiten zu äußern, den Schleier des Todes zu durchdringen.
    Sie hängten Schals über die Lampen, um das Licht zu dämpfen, und bereiteten auf dem Tisch alles vor. Mrs. Channing nahm ihren Platz am Kopfende ein und bat alle Anwesenden, jeden anderen Gedanken zu verscheuchen und einander stumm an den Händen zu fassen.
    Das Ticken der Standuhr im Flur war deutlich zu hören und Rutledge, der abseits saß, ertappte sich dabei, dass er die Lehnen seines Stuhls umklammert hielt. Er löste seine Finger gewaltsam und versuchte, zur Abwehr an möglichst vieles gleichzeitig zu denken, statt Raum in seinem Kopf zu lassen.
    Nach einem Moment erfüllte ihre Stimme den Raum, leise, melodisch und nahezu hypnotisch. Trotz seines heftigen Widerstandes konnte er den Frieden fühlen, der ihn einzuhüllen schien, und die Geborgenheit, die diese Stimme scheinbar anbot. Aber es war auch eine unterschwellige Spannung herauszuhören, ganz so, dachte er, als sei ihr bewusst, dass er als außenstehender Beobachter abseits saß, außerhalb des Kreises und voller Missbilligung.
    Der Spielverderber. Dieser Gedanke ließ ihn zusammenzucken.
    »Wir haben uns hier zur Jahreswende versammelt, um jene
anzurufen, die in der Nacht wandeln, jene, die im Besitz von Wissen sind, jene, die gewillt sind, an unseren Tisch zu kommen und die Dunkelheit zu durchdringen, die die Lebenden von den Toten trennt, und freundschaftlich gesinnt meine Hand zu nehmen …«
    Er versuchte, sich einen Vorwand einfallen zu lassen, unter dem er sich jetzt schon verabschieden konnte, eine Ausrede, die Frances nicht in Verlegenheit bringen und auch keine Kommentare hervorrufen würde. Stattdessen saß er wie festgenagelt da. Sein Verstand war erstarrt und verweigerte ihm den Dienst. Er hörte, wie Hamish von Teufelswerk sprach und ihn immer wieder drängte, zu gehen. Und zwar auf der Stelle!
    Aber es gab kein Entkommen.
    Mrs. Farnum rief eifrig aus: »Ich habe gespürt, dass der Tisch sich bewegt hat!«
    »Das sollten Sie auch spüren, denn wir sind von Geistern umgeben, die ihre Plätze neben uns einnehmen und uns über die Schultern blicken. Ein kleines Hündchen ist darunter, ein King-Charles-Spaniel …«
    Sally Talbot schnappte nach Luft. »Das könnte doch nicht etwa Jelly sein? Oh, bitte, sagen Sie mir, dass es mein liebes kleines Hündchen ist.«
    Ihr Mann sagte eilig: »Ganz ruhig, Sally …«
    »Aber es wäre doch schön zu wissen, dass es ihm im Jenseits gut geht und dass er glücklich ist - du machst dir keine Vorstellung davon, wie sehr er mir fehlt.«
    Mrs. Channings Stimme übertönte sie. »… und hinter ihm steht der König persönlich. Wir heißen Euch willkommen, Eure Majestät, und wir bitten Euch, uns den Namen des kleinen Hündchens zu nennen, das Eure Anwesenheit so anmutig angekündigt hat …«
    Die Tür hinter ihnen öffnete sich und Iris flüsterte ins Halbdunkel: »Inspector? Der Yard ist am Telefon.«
    Er sprang so hastig auf, dass er den kleinen
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