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Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche

Titel: Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
Autoren: Robin Hobb
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Qualität der Kräuter, die seine Kehle rau machten und seine Gedanken keineswegs beruhigten. Vergeblich hatte Malta ihn angefleht, ein wenig Luft zu schnappen. Er wollte nur auf dem Bett liegen und stöhnen, oder er verlangte, dass sie seine Füße oder seinen Nacken massierte.
    Solange der Satrap in der Kabine blieb, war auch Malta dort eingesperrt. Sie wagte nicht, ohne ihn hinauszugehen.
    Erneut rieb sie sich die brennenden Augen. Der beißende Qualm der Laterne reizte sie. Ihr Mittagessen war bereits weggeräumt worden. Die endlos langen Stunden bis zum Abendessen standen ihr bevor. Der Satrap hatte sich entgegen ihren vorsichtigen Ratschlägen erneut voll gestopft. Jetzt zog er an einer kurzen, schwarzen Pfeife. Er nahm sie aus dem Mund, starrte sie an und zog dann wieder daran. Sein unzufriedener Gesichtsausdruck ließ Malta Böses schwanen. Er rutschte unbehaglich auf dem Bett herum und rülpste dann laut.
    »Ein kleiner Spaziergang an Deck könnte Eurer Verdauung gut tun«, schlug Malta ruhig vor.
    »Ach, halt den Mund. Allein der Gedanke an einen Fußmarsch lässt meinen armen Magen revoltieren.« Er riss sich die Pfeife aus dem Mund und schleuderte sie nach Malta. Ohne auf ihre Reaktion zu warten, drehte er sich zur Wand um und beendete das Gespräch.
    Malta lehnte den Kopf an die Wand. Die Pfeife hatte sie zwar nicht getroffen, aber allein seine Wut zerrte an ihren Nerven.
    Sie versuchte zu überlegen, was sie als Nächstes tun sollte.
    Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie biss die Zähne zusammen und drückte die geballten Fäuste gegen ihre Lider. Sie würde nicht weinen! Du bist ein zäher Abkömmling eines entschlossenen Volkes, rief sie sich ins Gedächtnis. Die Tochter eines Bingtown-Händlers. Was hätte ihre Großmutter getan? Oder Althea? Sie waren stark und klug. Sicher hätten sie einen Weg aus diesem Dilemma gefunden.
    Malta bemerkte, dass sie unwillkürlich die Verletzung auf ihrer Stirn betastete, und zog rasch die Hand weg. Die Wunde hatte sich wieder geschlossen, aber die frische Haut fühlte sich unangenehm knorpelig an. Die Narbe reichte eine ganze Fingerlänge in ihren Haaransatz. Malta versuchte sich vorzustellen, wie sie aussah, und schluckte. Ihr war elend zumute.
    Sie zog die Knie an die Brust und schlang die Arme darum.
    Obwohl sie die Augen schloss, kämpfte sie gegen den Schlaf an. Der Schlaf brachte Träume, schreckliche Träume von all dem, dem sie sich tagsüber nicht stellen wollte. Träume von Selden, der in der versunkenen Stadt begraben war, Träume von ihrer Mutter und Großmutter, die sie verdammten, weil sie ihn in den Tod gelockt hatte. Sie träumte von Delo, die entsetzt vor Maltas entstelltem Gesicht zurückwich. Von ihrem Vater, der sich mit ausdrucksloser Miene von seiner entehrten Tochter abwandte. Am schlimmsten jedoch waren die Träume von Reyn. Sie tanzten zu wunderschöner Musik, und die Fackeln glühten. Zuerst fielen ihr die Slipper von den Füßen und zeigten ihre schorfigen, schmutzigen Füße. Dann verwandelte sich ihr Kleid plötzlich in schmierige Lumpen. Zu guter Letzt fiel ihr Haar strähnig über ihre Schultern, und Eiter sickerte aus ihrer Stirnwunde. Reyn stieß sie angewidert von sich. Sie fiel rücklings zu Boden. Die anderen Tänzer umringten sie und deuteten entsetzt auf sie. »Ein Moment der Schönheit, für immer ruiniert«, verhöhnten sie Malta.
    Einige Nächte vorher war der Traum noch anders gewesen, so real, beinahe so, wie damals, als sie mit der Traumdose ihre Visionen geteilt hatten. Reyn streckte die Hände aus und wollte die ihren ergreifen. »Malta, greif nach mir!«, hatte er sie gebeten. »Hilf mir, zu dir zu kommen.« Aber selbst im Traum war ihr die Sinnlosigkeit klar gewesen. Sie hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und sich verschämt vor ihm verborgen. Es war besser, ihn nie wieder berühren zu können, als Mitleid oder Ekel auf seinem Gesicht sehen zu müssen.
    Malta war schluchzend aufgewacht, und seine wundervolle Stimme stach ihr wie ein Messer ins Herz. Dieser Traum war der schlimmste von allen gewesen.
    Wenn sie an Reyn dachte, tat ihr das Herz weh. Sie berührte ihre Lippen und erinnerte sich an den heimlichen Kuss, an den Stoff seines Schleiers, diese weiche, sinnliche Barriere zwischen ihren Mündern. Aber jeder süße Moment in ihren Erinnerungen war wie von scharfen Rasiermessern des Bedauerns gesäumt. Zu spät, sagte sie sich. Für immer zu spät.
    Seufzend hob sie den Kopf und schlug die Augen auf.
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