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You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)

Titel: You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
Autoren: Jermaine Jackson
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drei Kindern wurden vier, dann fünf und so weiter. Sie versuchten, das bisschen Geld, das Mutter verdiente, zu sparen, denn sie hoffte darauf, dass Joseph eines Tages ein zusätzliches Zimmer würde anbauen können, damit alle mehr Platz hätten. In meiner Kindheit lagen im Garten hinterm Haus einige Reihen Betonsteine aufgestapelt, die allein mit ihrer Gegenwart immer wieder mahnend daran erinnerten, dass meine Mutter gern ein größeres, besseres Haus gehabt hätte.
    Die Erinnerung an unser kleines Haus ist für mich mit den verschiedensten Dingen verbunden. Dass es so beengt war, wir uns alle um Mutter scharten und uns ständig gegenseitig auf die Füße traten, machte es nicht gerade besonders gemütlich, aber es war ein Spiegel dessen, was meine Eltern ständig predigten: Zusammenhalten und Zusammenrücken. Ein so enger Verbund schafft Loyalität. Und aus Loyalität erwächst Stärke. Das wurde uns eingebläut. Deswegen wurden wir zu einer Einheit, die nur geschlossen vorging. Das konnten in Gary die wenigsten Familien von sich behaupten. Gary war eine Arbeiterstadt, die 1906 mit der Muskelkraft afroamerikanischer Einwanderer errichtet worden war, die auf den Sanddünen und dem Buschland im Nordwesten von Indiana einen wichtigen Standort der Stahlindustrie aus dem Boden stampften.
    Die alten Männer erzählten gern, dass die Arbeitsmoral damals von Blut, Schweiß und harter Plackerei bestimmt wurde. Die Männer in Gary hatten keine Angst davor, Überstunden zu machen und sich abzurackern. „Wer wirklich hart arbeitet, der kommt auch voran“, sagte Joseph. „Man bekommt zurück, was man einzahlt.“ In den Augen seiner Vorväter hatte man etwas „geleistet“, wenn man eine gut bezahlte Arbeit und ein eigenes Haus vorweisen konnte, aber er wollte immer, dass wir einmal höhere Ziele verwirklichten als er. Niemand von uns bekam den typischen Spruch vieler Väter zu hören: „Hör auf mit der Tagträumerei und such dir einen richtigen Job!“ Nein. Unser Vater wollte, dass wir einen Traum hatten und dass wir ihn in die Tat umsetzten.
    Etwa 90 Prozent der Bevölkerung von Gary und Umgebung fanden Arbeit bei Inland Steel, kurz „die Fabrik“ genannt, die eine halbe Autostunde entfernt im angrenzenden East Chicago lag. Joseph war dort Kranführer und transportierte Stahlträger von einem Ort zum anderen. Es war eine harte Arbeit in Schichten von acht oder zehn Stunden. Wenn er oben in seiner verglasten Kanzel saß, gingen seine Gedanken oft zurück zu seiner Kindheit in Durmott, einem Ort südlich von Little Rock in Arkansas. Als junger Mann hatte er sein Taschengeld für Kinobesuche ausgegeben und sich Stummfilme angesehen, und er hatte sich stets gesagt, dass er eines Tages der erste Schwarze sein werde, der in einem solchen Streifen auftrat. Schichtarbeit in der Fabrik kam diesem Traum nicht gerade nahe. Es war Sklavenarbeit, ganz in der Tradition dessen, was schwarze Männer vor ihm schon immer hatten leisten müssen. „Es geht darum, aufzusteigen, nicht darum, unten zu bleiben“, pflegte er zu sagen.
    Nach seiner Ankunft in Indiana, noch bevor er Mutter kennenlernte, hatte er bei der Eisenbahn gearbeitet. Dann bekam er einen Job in einer Eisengießerei und bediente einen Dampfhammer in der Hitze eines großen Hochofens. „Hitze? Da sind Männer umgekippt“, erzählte er. „Wir arbeiteten immer nur ganz kurz, zehn Minuten lang, und dann mussten wir da wieder raus, weil die Böden glühend heiß waren.“ Damals bestand er nur aus Haut und Knochen. Er konnte essen, so viel er wollte, und nahm doch nicht zu, weil die Arbeit so kräftezehrend war. Ein wenig lag das allerdings wohl auch an seinem Stoffwechsel, den die meisten von uns von ihm geerbt haben, vor allem Michael. Die schlimmste Arbeit, die Joseph je übernahm, bestand darin, Asche aus dem Hochofen zu kehren. Hier war seine hagere Gestalt besonders nützlich, weil er dabei an einem Seil in einem Eimer einen Abzug hinuntergelassen wurde, der lediglich einen Meter Durchmesser hatte. Verglichen mit solchen Geschichten kam mir der Job eines Kranführers geradezu glamourös vor.
    Es soll jedenfalls niemand sagen, Joseph wisse nicht, was harte Arbeit war. Solche Jobs konnten nur Männer verrichten, die innerlich gefestigt und wirklich stark waren, und er hatte sich die Finger blutig gearbeitet, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich glaube, deswegen ist ihm „Respekt“ so wichtig. In seinen jungen Jahren hatte er lange in untergeordneten
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