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Wünsche (German Edition)

Wünsche (German Edition)

Titel: Wünsche (German Edition)
Autoren: Tobias Jäger
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Termine ab? Für mich?«
    »Ja«, antwortete ich.
    »Warum?«
    »Weil ich dich wirklich gerne habe«, sagte ich und bekam wieder dieses herzerweichende Lächeln zu sehen.
    »Wow«, sagte Julian.
    Es dauerte 5 Minuten, dann brachte ein groß gebauter Pfleger einen Rollstuhl. Er fragte, ob er uns helfen sollte.
    »Nein, das kriegen wir hin«, antwortete Julian, bevor ich etwas sagen konnte.
    »Viel Spaß«, sagte der Pfleger und war verschwunden.
    Wie schon bei seinem Toilettenbesuch hielt ich Julian unter den Achseln aufrecht, während er sich in den Rollstuhl setzte. Nachdem er sich gesetzt hatte, lächelte er mich dankbar an. Auf seiner Stirn hatten sich ein paar Schweißperlen gebildet, die ich mit meinem Taschentuch weg wischte.
    »Bereit?«, fragte ich.
    »Jau«, antwortete er.
    Wir nahmen den Fahrstuhl in den obersten Stock. Der Wintergarten war wirklich hübsch. Es gab viele Pflanzen und sogar ein paar Bäume. Es war überraschend ruhig. Außer uns waren keine Menschen im Wintergarten. Ich vermutete, dass die meisten Angehörigen berufstätig waren und der Wintergarten am Abend sicherlich voller war. Ich sah mich um und entdeckte in einer Ecke des Raumes einen kleinen, künstlichen Wasserfall. Er produzierte das einzige Geräusch, das zu hören war.
    »Hier riecht es komisch«, sagte Julian. »Wo sind wir?«
    »Im Wintergarten. Der Geruch kommt von den Pflanzen und Bäumen um uns herum«, erklärte ich, während ich Julian in Richtung des Wasserfalls schob.
    Er lauschte einen Moment aufmerksam.
    »Warum läuft hier Wasser?«
    »In der Ecke ist ein Wasserfall.«
    »Cool. Zeigen Sie ihn mir?«
    »Wir sind schon unterwegs.«
    Julian schaute sich um. Ich war mir nicht sicher, ob und wie viel er erkennen konnte. Dann sah er nach oben.
    »Die Sonne blendet«, bemerkte er.
    Ich schaute ebenfalls nach oben. Ich konnte nur einen Moment hinsehen, bevor ich den Blick wieder abwenden musste. Julian schaute direkt in die Sonne.
    »Das kannst du sehen?«, fragte ich.
    »Ja. Ich sehe das Licht.«
    Ich stellte Julians Rollstuhl vor den Wasserfall, bzw. vor den kleinen Teich, der vom Wasserfall gespeist wurde. Julian beugte sich mühevoll nach vorne und berührte mit den Fingerspitzen der rechten Hand die Wasseroberfläche.
    »Haben die Leute Münzen hinein geworfen?«, fragte Julian.
    Der Steinboden war vor allem am Rand größtenteils mit Münzen bedeckt.
    »Ja, eine Menge sogar.«
    »Cool«, sagte er aufgeregt und schüttelte die Hand, mit der er das Wasser berührt hatte. Ich kramte in meiner Tasche nach einer Münze und legte sie in seine Hand.
    »Wirf sie rein und wünsch dir was«, forderte ich ihn auf.
    Julian betastete die 2-Euro-Münze eine Weile mit den Fingern und schaute sie sich an. Ich fragte mich, wieviel er davon wirklich sehen konnte. Dann schnippte er die Münze mit einer geschickten Handbewegung in den Teich.
    »Was hast du dir gewünscht?«, fragte ich ihn und strich ihm durch die blonden Haare.
    »Das verrate ich nicht«, antwortete er. »Sonst wird es nicht wahr.«
    Ich kicherte und schob ihn ein Stück weiter zu einer Bank.
    »Kann ich Sie etwas fragen?«
    »Natürlich«, antwortete ich.
    »Wie alt sind Sie?«
    »Vierzig.«
    »Wow, das ist alt.«
    Ich musste lachen. »Meinst du?«
    »Vermutlich nicht«, kicherte er kurz. Dann wurde er aber wieder ernst. »Meine Großmutter war viel älter als Sie. Ich habe bei ihr gelebt, bis ‒«
    Ich nahm seine Hand und drückte sie kurz.
    »Sind Sie verheiratet?«
    »Ich war verheiratet.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich habe mich scheiden lassen.«
    »Warum?«
    Ich schaute ihm in die blauen Augen, in denen man sich verlieren konnte. Er war neugierig, was ich ihm nicht übel nehmen konnte. Ich freute mich darüber, dass er sich in meiner Gegenwart wohl genug fühlte, um so persönliche Fragen zu stellen.
    »Meine Frau hatte eine Affäre«, sagte ich. »Mit einer anderen Frau.«
    Julians Reaktion brachte mich zum Lachen. Sein Mund klappte auf und er schloss ihn zwei oder drei Mal kurz. Er sah aus wie ein Fisch, der auf dem Trockenen liegt.
    »Und das finden Sie witzig?«, fragte er.
    »Nein«, antwortete ich, musste aber noch immer lachen. »Aber dein Gesichtsausdruck ist witzig.«
    »Oh«, sagte er. Dann fing er an zu kichern. »Haben Sie Kinder?«
    »Nein.«
    »Wollten Sie keine?«
    »Meine Frau und ich haben eigentlich nie über das Thema gesprochen. Kinder hätten damals nicht zu unserem Lebensstil gepasst. Deshalb haben wir auch nicht darüber
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