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Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle

Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle

Titel: Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
Autoren: Ross Thomas
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kleine Küche. Auf dem Gasherd stand eine große, altmodische Kaffeekanne aus blau und weiß gefleckter Emaille. Sie sah aus, als faßte sie eine Gallone Kaffee. Mindestens eine Gallone, dachte der Mann. Er griff zum Henkel und verbrannte sich fast die Finger. Er suchte sich einen Topflappen und benutzte ihn, um den Deckel abzunehmen und hineinzusehen. Die Kanne war fast voll, obenauf schwamm ein Stück Eierschale.
    Der Mann öffnete einen Hängeschrank, fand zwei knallgelbe Becher und goß den Kaffee ein, der so roch, wie er ihn liebte, stark und aromatisch.
    »Wie trinken Sie Ihren?« rief er Artie Wu zu.
    »Heute morgen mit einem Schuß Brandy«, sagte Wu. »Er hat seinen Schnaps im Schrank über dem Kühlschrank.«
    Der Mann öffnete den Schrank und inspizierte die Flaschen. Der lange Mensch mit den Narben ist nicht gerade ein Schnapsbruder, entschied er. Im Fach standen eine Flasche mittelguter Bourbon, ein halbwegs teurer Scotch, ein mittelmäßiger Wodka, eine Flasche Tanqueray, die noch ungeöffnet aussah (niemand trinkt heute mehr Gin, dachte der Mann), und eine Flasche Courvoisier.
    Der Mann nahm den Courvoisier heraus, goß einen guten Schuß in einen der Becher, zögerte kurz, zuckte mit den Achseln und goß einen kleineren Schluck in den Becher, den er für sich vorgesehen hatte.
    Er stellte den Brandy zurück, wobei ihm durch den Kopf ging, daß es dem Mann mit den Narben mal ganz gut gegangen sein mußte, und vielleicht vor nicht mal allzu langer Zeit. Die Möbel im Wohnzimmer ließen das erkennen. Der Eames-Sessel beispielsweise war ein Original und keine Kunstleder-Imitation, und Eames-Sessel waren nicht billig. Dann war da die Couch mit dem prächtigen, gemusterten Samtbezug. Fünfzehnhundert Dollar mindestens für die Couch, schätzte der Mann, obwohl ihm natürlich nicht entgangen war, daß sie schon ein bißchen ramponiert und durchgesessen aussah, so als wäre sie oft umgezogen und auch schon mal als Bett benutzt worden. Dann der andere Sessel, erinnerte sich der Mann, der mit blassem Wildleder bezogen war. Den konnte man auch nicht bei Levitz kaufen.
    Der Clou war natürlich der Teppich. Der Mann hielt sich für so etwas wie eine mittlere Autorität für kostbare orientalische Teppiche. Und er war ganz entschieden der Meinung, daß die Brücke im Wohnraum an irgendeine Wand gehörte und nicht auf den Fußboden eines Hauses am Meer, um Himmels willen, wo jeder Sandspuren auf ihm hinterließ. Nun ja, geht der Mann mit den Narben mal pleite, kann er immer den Teppich verkaufen. Der Mann schätzte, daß er locker fünfzehntausend brächte. Vielleicht sogar zwanzig.
    Der Mann kehrte mit den zwei Bechern in den Wohnraum zurück und reichte einen Artie Wu, der sich bedankte. Der Mann nickte, nahm selbst einen Schluck vom Kaffee, der noch besser schmeckte als er roch, und ließ die Augen durchs Zimmer wandern. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf den Fernschreiber, der immer noch in der Ecke vor sich hin ratterte.
    »Reuters?«
    Artie Wu drehte sich zum Fernschreiber um und wieder zurück. »Yeah, Reuters.«
    »Warenbörse?«
    Artie Wu schüttelte den Kopf. »Wertpapierbörse.«
    Der Mann nickte nachdenklich, nahm wieder einen Schluck Kaffee und bastelte noch an der Formulierung seiner nächsten Frage, als Durant mit einem Schuhkarton ohne Deckel zurückkam. Der Schuhkarton enthielt Verbandszeug, Watte, Heftpflaster, Schere und eine große dunkelbraune Flasche ohne Etikett.
    Durant kniete vor Artie Wu, schraubte den Verschluß der Flasche auf und schmierte eine dunkelrotbraune Flüssigkeit auf den verletzten Knöchel. Das Zeug hatte einen bitteren, ätzenden Geruch, der Artie Wu die Nase rümpfen ließ.
    »Herr im Himmel«, sagte er, »was ist das denn?«
    »Pferdeliniment«, sagte Durant. »Das Beste auf der Welt für einen verrenkten Knöchel.«
    »Meiner ist verstaucht.«
    »Ist er nicht. Er ist nur leicht verrenkt, aber wenn ich fertig bin, ist er nicht mal mehr das.«
    Er schmierte noch mehr von der dunklen Flüssigkeit auf den Knöchel und rieb sie mit seinen langen, schlanken Fingern in die Haut. Anschließend fertigte er aus dem Verbandmull ein akkurates Polster, tränkte es mit der Flüssigkeit, legte es über Artie Wus Knöchel und befestigte es mit Heftpflaster. Dann schnitt er zwei lange, breite Streifen Heftpflaster ab und klebte sie stramm um den ganzen Knöchel. Er arbeitete schnell und geübt.
    Als er fertig war, hockte er sich auf seine Fersen. »Okay«, sagte er, »belaste mal den
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