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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition)
Autoren: Joanna Bator
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ihn in irgendeiner politischen Angelegenheit hingeschickt, und stell dir mal vor, er hat behauptet, er hätte unsere Grażynka in Tokio gesehen, mit einem Japaner, und sie war ganz als Geisha gekleidet. Typisch Grażynka, lacht Dominika, Geisha Grażynka, das hätte man sich denken können.
    Das Gold der Sonne wird dunkler, über dem Wasser erhebt sich ein Raunen, vielleicht kehren auf den Wellen die Stimmen der Frauen zurück, vielleicht ist es Sirenengesang, schon ist nur noch der Rand der goldenen Scheibe über den Berggipfeln zu sehen, die diesen kleinen Flecken auf der Erde umgeben, an dem Dominika Chmura aus Piaskowa Góra nun im Wasser die Hand ihrer Mutter nimmt und sagt, komm, die Sonne geht unter.
    Es ist so ruhig, so ruhig.

… und ein Ende
    Andrew Mopsinsky, Absolvent der Polonistik und Doktorand an einer New Yorker Universität, sammelt Napoleonika. Der junge Mann bedauert sehr, dass man ihm nicht den schönen Namen Napoleon gegeben hat, den sein Großvater und sein Vater trugen, obgleich Letzterer, ein praktischer Geschäftsmann, die verkürzte Version Nap benutzt. Andrew fasziniert nichts so sehr wie Geschichten über den französischen Befehlshaber, und er bedauert ebenfalls, dass er Antoni Mopsiński nicht mehr kennenlernen konnte, seinen Urgroßvater, der angeblich ein wertvolles Napoleon-Gedenkstück besessen haben soll. Andrew erinnert sich noch gut, wie alles begann. Als er klein war, zwangen seine Eltern ihn zu Besuchen bei seinen zwei unverheirateten Tanten, den Schwestern seines Vaters, Lilia Rose und Violet Rose.
    Die beiden Frauen wohnten im Erdgeschoss eines verwahrlosten Hauses in Brooklyn und kamen ihm sehr alt vor, wie alle Personen über dreißig. Am Anfang ging Andrew nicht gern zu ihnen, denn er fand den Geruch dort erdrückend, so eine Mischung von Zuckerwatte und Schnittblumen, eine süße Feuchte mit einem Hauch von Verwesung. Wenn in Andrews Familie über die beiden Tanten gesprochen wurde, dann immer mit beiden Vornamen, obwohl seine Eltern, fleißige Leute, die eine große Cateringfirma betrieben, sonst Abkürzungen benutzten und selbst zu ihm der Bequemlichkeit halber einfach A sagten, zur jüngeren Schwester Barbara B und zu Hund Cedric C. Ging es um die Tanten hieß es jedoch immer, Lilia Rose dies, Violet Rose das, und der kleine Andrew bekam mit der Zeit den Eindruck, es seien mehr als zwei, Tante Lilie, Tante Viola und zwei Tanten-Rosen. Schon als ganz kleiner Junge hatte er gejammert, Maama, Paapa, warum muss ich da wieder hin, die Tanten sind so laangweilig, so aalt, immer muss ich Milch mit Buutter trinken, doch sein Vater Nap Mopsinsky hatte ihm nur die strubbligen Haare gezaust, die die Farbe von modrigem Heu hatten, ihn ins Auto verfrachtet und nach Brooklyn gefahren. Doch eines Tages kam sein Vater, um ihn abzuholen, und Andrew war enttäuscht, dass er schon nach Hause musste, er trödelte beim Anziehen und wechselte vielsagende Blicke mit den Tanten.
    Die Tanten hatten angefangen zu erzählen, als er sieben Jahre alt gewesen war. Gleichzeitig hatten sie aufgehört, ihm Milch mit Butter einzuflößen, als hätten sie beschlossen, dass er nun die erforderliche Grundlage hatte, so wie ein eingefleischter polnischer Trinker darauf achtet, dass er vor dem Saufgelage für eine Grundlage aus Bigos und fettigem Borschtsch gesorgt hat, um nicht zu schnell betrunken zu werden. Setz dich, setzt dich, sagten die Tanten, schoben ihm den Schaukelstuhl mit den knarrenden Kufen hin und fingen an. Wie schön sie erzählten! In den Geschichten von Lilia Rose und Violet Rose gab es einen polnischen Herrenhof, prächtig wie ein Palast, mit einer Einfahrt, auf der leicht vier Kutschen nebeneinander fahren konnten, jede sechsspännig, hüh hott! Ein Städtchen gab es, das hieß Kamieńsk, so schöne Städtchen gab es in ganz Amerika nicht, und in Kamieńsk machte der Konditor, Mateusz Suliga, die besten Napoleonschnitten der Welt, mit einer so luftigen Creme, als wäre es keine Creme, sondern eine Wolke aus Sahne und Zucker. Das Wichtigste jedoch war – Napoleon. Tante Lilia Rose erzählte, er habe auf dem Herrenhof Station gemacht, einfach nur des Stationmachens wegen, er habe mit Urgroßmutter Mopsińska eine Romanze gehabt, und vor der Eleganz und Schönheit der Urgroßmutter Mopsińska könne Frau Walewska sich nur verstecken. Tante Violet Rose fiel ihr ins Wort, nicht auf dem Herrenhof habe er Station gemacht, sondern in einer benachbarten Bauernhütte, und nicht mit der
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