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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf
Autoren: S.P. Somtow
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Speranza.«
    Hatte sie richtig gehört? Seine Stimme war rau, verzerrt durch den tierischen Kehlkopf; dies konnte keinesfalls zum Traum gehören. Sie trat zurück - verletzt, weil er vielleicht glaubte, sie wolle ihn verlassen, begann er zu greinen wie ein Kind, das die Mutterbrust sucht, und - plötzlich begriff sie, dass sie das Zentrum ihres Albtraums erreicht hatte, wusste sie, dass sie hierhergekommen war, um ihn zu töten. Weinend richtete sie den Revolver auf seinen Kopf und …
    »Wir werden neu geboren werden«, versprach der Junge.
    Wie kann eine Geburt so schmerzhaft sein?, dachte sie, denn Krämpfe durchzuckten ihren Körper und -
    Der Adler setzte über ihnen zum Sturzflug an.
     
    Johnny entging ihr Zögern nicht. Verzweifelt bat er: »Verstehst du nicht? Nur du liebst mich wirklich, nur du kannst mich töten
… du hast dich an meiner Seite dem Schatten gestellt. Die ersten Strahlen des Mondes fallen auf uns, und wenn ich sterbe, erfüllt sich der Tanz, und dann werden wir in Frieden leben, und die weißen Wölfe werden ausgelöscht und … ich habe die Dunkelheit in mir besiegt und muss sterben, damit mein Volk leben kann … nur deshalb wurde ich aus dem Irrenhaus geholt, deshalb wurde ich in diese Ödnis gebracht …«
    Konnte sie ihn überhaupt verstehen? Sie hielt die Pistole, zielte auf ihn und drückte langsam den Abzug durch, und der Jungwolf jubelte jaulend, heulte den Gesang des Todes und der Wiedergeburt, dasselbe Lied, mit dem die Welt einst begonnen hatte und -
    Ein Schuss und -
    Speranza brach in seinen Armen zusammen, die sich immer schneller zu Pfoten verkürzten.
    Tot.
    Knurrend schaute er hoch und sah Major Sanderson auf seinem Pferd am Rand des Abgrundes stehen, und der Pferdeatem dampfte in der Dunkelheit, und Major Sanderson senkte lächelnd seine Waffe und -
    Speranza lag auf dem Boden. Sie ist schön, fand der junge Wolf. Und er dachte an seine Mutter, die an einer Kreuzung in Whitechapel lebendig begraben worden war, während sein Vater untätig zugesehen hatte.
    »Mutter«, rief der junge Wolf, aber aus seiner Hundekehle stieg nur rasender Zorn, und er -
    Ballte all seine Wut zusammen, bis er den Schmerz nicht mehr ertrug, und sprang das Pferd an der Hinterflanke an und warf Major Sanderson zu Boden und schloss seine Kiefer um dessen Kehle und -
    Fühlte, wie seine Zähne durch die Luftröhre stießen und das Genick zu fassen bekamen. Sie stürzten gemeinsam, er und Major Sanderson, in einer tödlichen Umarmung verklammert, sie stürzten von dem himmelhohen Felsen, der Traum zerbrach,
während der Herbstwind um sie herum toste, und er riss mit den Pfoten den Brustkorb des Majors auf und senkte sie ins Fleisch, und sie stürzten, während das Genick des Majors zwischen seinen Zähnen knackte und -
     
    Teddy hörte den Aufschlag. Er humpelte zum Weeping Wolf Rock hinüber.
    Ein Adler kreiste vor dem Mond.
    Der Wind teilte den Qualm, und das Präriegras wogte wie ein Meer im Sturm. Etwas war herabgestürzt; an einer Stelle war das Gras platt gedrückt, und ein formloser Klumpen lag reglos in der Mitte - vielleicht ein Mensch.
    Es war Major Sanderson. Das, was von ihm übrig geblieben war. Er erkannte ihn nur an der Schädeldecke wieder, an den Narben. »Kein schöner Anblick«, stellte er fest.
    »Nein, wirklich nicht«, antwortete eine Stimme. Ein langer, silberner Schatten fiel über den Leichnam.
    Es war ein nackter Knabe.
    »Bist du das, Johnny?«, fragte Teddy. »Oder ist es einer der anderen?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Johnny Kindred und weinte bitterlich.
    »Bist du gerade von dem Sims gefallen?« Johnny nickte.
    »Du müsstest tot sein.«
    »Ich kann nicht sterben. In meinem Traum wurde mir prophezeit, dass mich nur jemand töten kann, der mich wirklich liebt … und sie ist tot.«
    »Ich hole dir was zum Überziehen … damit du nicht frierst.« Er zog einem Toten die Jacke aus. »Komm, Johnnyboy.«
    »Die Indianer …«, flüsterte der Junge. »Mein Traum … betrogen … Ich habe sie betrogen.«
    »Du musst vergessen, Johnny. Sie sind alle tot, alle Soldaten, alle Kinder der Wichasha Shungmanitu … alle sind gestorben. Wir beide haben noch eine Menge Leben vor uns.«

    »Wohin bringst du mich?«
    »Erst gehen wir nach Lead, da wartet hoffentlich eine Frau auf mich. Dann weiß ich auch nicht. Vielleicht lassen wir uns im Reservat nieder. Ich habe bei den Weißen nichts mehr zu suchen. Komm, hilf mir ein Pferd zu satteln.«
    Ein tiefes Donnern. Weeping Wolf
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