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Wolfspfade 6

Wolfspfade 6

Titel: Wolfspfade 6
Autoren: Lori Handeland
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und impulsiv war – zwei Adjektive, die nur selten auf mich zutrafen. Sollte Matt je hiervon erfahren, würde er mir eins auf den Hinterkopf geben, und das zu Recht. Hey, sollte ich ihn je lebend wiedersehen, würde ich mir selbst eine verpassen.
    Dann endlich schien die Straßenlampe direkt auf mich herab. Ein schmaler Korridor zwischen zwei Häusern gab den Blick auf die belebte Frenchmen Street am anderen Ende frei. Ich bog in ihn ein.
    Die mich umgebenden Gebäude waren so hoch, dass sie jedes Licht abblockten; ich sah nichts als einen grauen Klecks vor mir. Ich hastete darauf zu und hielt auch dann nicht inne, als hinter mir etwas in den Korridor glitt, dessen massiger Körper die Schatten zum Tanzen brachte. Dann konnte ich mich nicht länger beherrschen; ich rannte los.
    In der engen, von Mauern umschlossenen Gasse hallte das harsche Keuchen meines Atems in abgehacktem Stakkato zu dem dumpfen Aufschlag meiner Turnschuhe auf dem Asphalt und dem Wummern meines Rucksacks, den ich mir über eine Schulter geschlungen hatte, wider.
    Das Ende des Korridors war nur verschwommen zu erkennen und schien immer weiter zu entschwinden, je näher ich ihm kam. Die Region zwischen meinen Schulterblättern brannte, als wäre dort plötzlich eine rote Markierung angebracht – ein Ziel für den Einschlag einer Kugel, das Eindringen eines Messers oder den Angriff eines wilden Tiers.
    Ich versuchte gerade mich umzusehen, so wie alle dummen Menschen es tun, wenn sie verfolgt werden, da verfing sich meine Schuhspitze in einem der Risse im Asphalt, die es hier zuhauf gab. Ich kippte vornüber, meine Hände schnellten zur Seite und prallten hart gegen die Hausmauern rechts und links von mir. Ein Spreißel bohrte sich in eine Handfläche, ein splittriges Brett zerschrammte die andere, aber wenigstens fiel ich nicht hin.
    Schweißüberströmt, mit wildem Blick und von Panik übermannt, stürzte ich Sekunden später ins Freie. Mit einer zitternden Hand strich ich mir das wirre, schulterlange Haar aus den Augen, während ich mit der anderen ein vorbeifahrendes Taxi anhielt.
    Falls ich ein bisschen zu hektisch eingestiegen sein sollte und mir dabei fast den Fuß in der Tür gequetscht hätte, dann schien es der Fahrer nicht zu bemerken. „Wohin?“, fragte er.
    „Bourbon Street.“
    Schimmernd und von einem geisterhaften Silber schob sich der Mond hinter den dichten Wolken hervor. Ich warf einen letzten Blick in die schmale Gasse, die jetzt so hell erleuchtet war wie der Times Square.
    Dort war nichts.
    Ich zwang mich, nach vorn zu sehen, während der Taxifahrer eine Kehrtwendung machte und das Wehklagen eines Saxophons gleich einem Heulen zum marineblauen Himmel aufstieg.

 
    3
    „Wo bekomme ich ein Zimmer?“, fragte ich.
    Der Taxifahrer ließ ein abfälliges Schnauben hören und guckte in den Rückspiegel. „Die Mardi-Gras-Paraden beginnen bald. Es gibt keine Zimmer mehr.“
    „Was, überhaupt keine?“ Meine Stimme klang schrill.
    Er zuckte die Achseln. „Sie können es ruhig versuchen.“
    Er setzte mich an der Ecke Bourbon Street und St. Peter ab. Ich marschierte in das nächstbeste Hotel, wo man mir das Gleiche sagte. Ich bat um eine Empfehlung und wurde ausgelacht. Offenbar war es mehr als naiv von mir gewesen, so kurz vor der Hauptsaison ohne eine Reservierung nach New Orleans zu kommen.
    Allen widrigen Umständen zum Trotz war ich fasziniert, als ich die Bourbon Street entlangspazierte. In direkter Nachbarschaft zu einem hübschen Restaurant mit Tischen im Garten befand sich ein Kino, das, seinen Plakaten nach, nicht unbedingt Disney-Filme zeigte. Eine Bar mit einer Dixieland-Band teilte sich ihren Standort mit einem Geschäft, das voller Stolz pornografische T-Shirts feilbot. Ein prächtiges Hotel aus dem neunzehnten Jahrhundert – ebenfalls komplett ausgebucht – mit einer Flut von über Glastüren zugänglichen Balkonen im ersten und zweiten Stock blickte direkt auf ein an der anderen Straßenseite gelegenes Stripteaselokal.
    Ein unverkennbarer Geruch – nach schalem Bier, frischen Pflanzen und Fäulnis – reflektierte den Charakter der Straße.
    Ich ging in eine der Bars, bestellte ein Sandwich und zeigte Katies Foto herum, aber niemand kannte sie. Auf diese Weise würde ich sie niemals finden. Ich brauchte Hilfe.
    Die nächstgelegene Polizeiwache befand sich in der Royal Street, dem Herzen des French Quarter.
    Ich erklärte dem ersten Polizisten, der mich ansprach, meine Situation, zeigte ihm meinen Ausweis und
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