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Wolfsfieber - Band 2

Wolfsfieber - Band 2

Titel: Wolfsfieber - Band 2
Autoren: Ruth Adelmann
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Vorstellung, ich könne mich gegen den Schmerz immunisieren. Ein fataler Irrglaube, wie sich herausstellte. Denn als ich einen weiteren gewagten Schritt in die Geschäftsräume machen wollte, wich mir das gesamte Blut aus dem Gesicht und meine Beine drohten mir wegzusacken. Irgendjemand stand neben mir, aber ich sah ihn nicht deutlich.
    „Geht es Ihnen nicht gut, junge Frau?“, fragte mich eine ältere Dame, die mich ansah, als hätte ich die Fallsucht.
    „Ich, ich …“, stammelte ich in ihre Richtung, ohne sie wirklich anzusehen.
    „Sie sehen blass aus. Ist Ihnen schlecht?“, wollte sie wissen. Aber ich konnte ihr nicht antworten, ich wusste es nicht. Alles, was ich wusste, war, dass ich sofort von hier -verschwinden musste.
    Ich drehte mich um und rannte, viel zu schnell und -auffällig, auf die Straße, wo ich meine Arme an den Knien abstützte, um den beginnenden Panikanfall aufzuhalten. Keine Chance. Ich musste weit weg von hier. Ich musste zurück in meine Höhle, wo es keine lesenden Männer gab, die mich an ihn erinnerten. So rannte ich los, stieß unschuldige Passanten an, erntete -wütende Blicke und Kommentare, tigerte nervös in der U-Bahn hin und her, die mir jetzt unfassbar langsam vorkam. Und als der Zug endlich in der Nähe des Stadtparks hielt, schoss ich so schnell aus der Tür, als wäre der Teufel hinter mir her. Ich hastete in einem übertriebenen Eiltempo den letzten Weg zurück zum Hotel und stürzte die Treppen bis zum dritten Stock hinauf. Erst als ich den Griff der Tür mit der Nummer 304 ertastete, beruhigten sich mein Puls und meine Atmung wieder und ich zog die weiße Tür auf, um sie gleich darauf mit einer unsanften Geste zu verschließen. Dann ließ ich mich erleichtert auf das Bett sinken und konnte daran arbeiten, das schmerzhafte Klopfen meines Herzens bewusst zu lindern.
    Wie anders war dieses Herzrasen im Vergleich mit dem stürmischen Puls, den Istvan bei mir auslöste. Schon wieder dachte ich an ihn. Dachte sogar schon seinen Namen. Der „Erfolg“ dieses Tages sprach für sich. Es war ganz klar: Fehlstart.
    Das Einzige, was ich mir zum Trost einreden konnte, war diese dämliche Floskel, die einem Optimisten immer vorbrabbeln.
    „Neuer Tag, neues Glück“. Nur war ich nicht gerade in optimistischer Stimmung, also tröstete ich mich mit einem „-Neuer Tag, neuer – zaghafter Versuch?“
     
    Die trügerische Erscheinung hatte definitiv einen Rückschlag zur Folge. Aber ich ließ mich davon nicht aufhalten, zumindest tat ich so als ob. Für den nächsten Tag machte ich einen exakten Plan. Ich sagte mir, dass Vorbereitung alles sei. Deshalb packte ich meinen Laptop aus und ging online. Dort lud ich so viel Musik aus den 70ern herunter, wie ich nur konnte. Dazu fügte ich noch ein paar Songs von The Clash, Joy Division und einige Punksachen, alles Musik, die Istvan nicht mochte oder die sein Gehör gar nicht erst aushielt. So gab es nicht die geringste Chance, dass mich eines dieser Lieder an ihn erinnerte. Am nächsten Morgen ging ich gleich in ein Elektronik-Geschäft und kaufte den billigsten MP3-Player mit genügend Speicher, den ich finden konnte. Wieder im Hotel lud ich alle Songs auf den Musik-Player und ging damit bewaffnet in den Park. Es schien mir schlauer, dieses Mal den Wiedereintritt in das normale Leben so schonend und langsam wie möglich zu gestalten. „Vielleicht erhöht das die Erfolgsaussichten“, hoffte ich. Am Ende behielt ich recht, denn: Es klappte.
    Die Klänge von Blondie waren eine willkommene Ablenkung und, auch wenn Joy Division in meiner Verfassung zuerst absurd schien, genoss ich den atmosphärischen Gesang von Ian Curtis, der besonders in „Isolation“ ein Gefühl des Verstehens auslöste. Der Gedanke half, zumindest ein bisschen. Dann -begann ich die Dinge zu überstürzen. Ich erinnerte mich da-ran, dass das Jahrestreffen des Musik-Online-Magazins in der kommenden Nacht stattfinden sollte, und beschloss, trotz allem, was dagegen sprach, hinzugehen.
     
    Schon nach fünf Minuten auf der Party wusste ich, dass es ein Fehler gewesen war zu kommen. Ich fühlte mich völlig fehl am Platz. Die alten Bekannten, die ich während meines Studiums immer mal wieder getroffen hatte, kamen mir jetzt fremd und schwer zu ertragen vor. Nur lag es nicht an ihnen. Ich war es, die anders, die verdreht war.
    Dennoch versuchte ich mein Bestes. Ich redete mit Betsy über die neuesten Indiebands aus England und versuchte ihre überschwängliche
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