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Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie
Autoren: Wolfgang Ambros
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Und dann hast du eben dieses kleine Zipferl, das du dir stehen gelassen hast. Das zündest du an, stellst
     dich hin und wartest. Von Brandbeschleunigern möchte ich
     einmal ganz gern abraten. Jetzt fängt es an, zu qualmen, weil
     das Reisig raucht, bevor es richtig Feuer fängt. Du wirst sehen: Langsam kommen die Flammen und das Feuer beginnt
     zu prasseln.
Die dürren Äste geben eine enorme Hitze ab. Sie brennen wie
     Sau, weil da eine Menge Öl drinnen ist. Das greift das erste
     Buchenholz sofort an und innerhalb von fünf Minuten hast
     du ein loderndes, kerzengroßes, wunderschönes Feuer. Irgendwann sind die untersten Schichten durchgebrannt und
     sie brechen in der Mitte ein. Dann kommen die oberen dran,
     die du so geschichtet hast, dass sie sollbruchartig ineinander
     zusammenfallen. Wenn du alles richtig gemacht hast, hast du
     unten genug Glut, dass die oberen Regionen Feuer fangen.
Irgendwann ist das hohe Feuer vorbei. Jetzt kommt einer
     der wichtigsten Momente überhaupt, weil dir vielleicht ein
     Trumm wegrollt. Wenn das passiert, musst du es sofort wieder
     richtig hinlegen. So, dass es wirklich schön weiterbrennt. Nur
     dann hast du ein einigermaßen stabiles Feuer, auf das du weiter aufbauen kannst. Aber wirklich erst, wenn das Konstrukt
     wieder Feuer gefangen hat und du weißt, jetzt hat es genug
     Hitze. Dabei passieren auch die meisten Fehler. Weil die Leute
     irrsinnige Trümmer draufhauen, die nie im Leben eine Chance haben. Nur ein ganz heißes, großes Feuer ist imstande, so
     ein Trumm auch überhaupt zu konsumieren, ansonsten löscht
     es das Ganze aus. Dann brennt das nur leicht an, es glost und
     das Feuer ist tot.

2
Kein Kind von Traurigkeit
    Ich bin ein Fisch aus dem Wald. Nicht, dass ich meine Tage nach dem Horoskop ausrichte, aber ich bin nun einmal geboren in dem Sternzeichen, konkret am 19. März 1952, in der Semmelweisklinik in Wien. Von dort hat man mich sofort nach Pressbaum verfrachtet. Der Ort liegt fünfundzwanzig Kilometer von Wien entfernt, mitten im Wienerwald.
    Man kann es nicht als veritable Erinnerung bezeichnen, aber das Erste, was ich von damals noch im Gedächtnis habe, ist ein komisches Gefühl. Ich war ungefähr zwei und meiner Mutter Schilderungen zufolge ein sehr lebhaftes Kind, ohne Unterlass dabei, die Gegend zu erkunden. Links den Bach, rechts die Straße, dazwischen das Haus und vor allem die Regentonne genau davor.
    An der Regentonne haben die Frauen das Wasser für die Gartenarbeit geholt. Damit sie ihre Gießkannen eintunken und wieder herausheben konnten, brauchten sie drei Stufen, sonst hätten sie nicht über die Tonne gereicht, die waren ja alle irrsinnig klein. Über diese Stufen bin aber auch ich als Gschrapp so weit hinaufgekommen, dass ich mich mit beiden Händen über den Rand ziehen konnte und natürlich kopfüber hineingefallen bin. Untergetaucht in das von der Sonne gewärmte Wasser, ich bin praktisch gefloatet da drin. Was mich allerdings nicht darüber hinweggetäuscht hat, dass mir langsam die Luft ausging.
    Ich war drauf und dran zu ersaufen. Die Rettung kam in Gestalt meiner Mutter, sonst wäre das letal ausgegangen. Sie war Lehrerin, hatte gerade Hefte verbessert und zwei Sekunden nicht aufgepasst. Man muss das verstehen, sie war extrem beschäftigt, eswaren halt andere Zeiten. Wir haben null gehabt, jeder musste arbeiten. Aber mit ihrem Instinkt wird sie doch was gespürt haben, ist in den Garten gelaufen und hat mich rausgezogen. Ich war fortan extrem mutterbezogen, vielleicht ja auch wegen dieser Episode.
    Bald darauf sind wir übersiedelt, auf die andere Seite des Wientals, in die Linke Bahngasse direkt neben der Eisenbahn. Das muss für einen kleinen Buben toll gewesen sein, die Züge so vor der Nase, dass man hingreifen hätte können. Aber hängen geblieben ist mir was anderes. Es war eine Riesenaufregung, alle Leute aus dem Häuschen sozusagen. Sie sind raus aus ihren Gärten und in Trauben neben der Bahn gestanden, wo auf der Straße entlang des Bahngleises unendliche Mengen von Soldaten marschierten. Es waren die Russen, die 1955 abgezogen sind.
    Es war das Ende der Besatzungszeit in Österreich, die ich da miterlebt habe, aber das habe ich natürlich erst später begriffen. Ich thronte auf irgendjemandes Schultern mittendrin in diesem Menschenauflauf, ich hörte, wie sie alle Hurra!, Hurra! schrien, und sah, wie der endlose Zug dahintrottete und die Soldaten im Pressbaumer Bahnhof in den Zug stiegen, einer nach dem
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