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Wofuer die Worte fehlen

Wofuer die Worte fehlen

Titel: Wofuer die Worte fehlen
Autoren: Carolin Philipps
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Sliwowitz abgefüllt zurückkommen wird. Sie kennen beide seine Wutausbrüche, wenn er getrunken hat.
    Â»Wenn es zu schlimm wird, kommst du zu mir! Bei uns ist immer ein Platz für dich! Hörst du?«
    Kristian nickt ihr beruhigend zu, ruhiger, als er sich selber fühlt. Sie hat ja keine Ahnung, wie schlimm es auch heute Nacht wieder werden wird.
    Aber was soll er machen? Er hat sich nun mal für das Schweigen entschlossen, weil es für die Familie so das Beste ist. Auch Katarina möchte, dass die Mutter zurückkommt. Und das wird sie nicht, wenn er redet.
    Kristian zieht sich in sein Zimmer zurück und zeichnet Sakuras letzte Szene ab. Er ist nicht sicher, ob es tatsächlich eine gute Idee ist, aber er weiß, dass die Leser ein gutes Ende möchten. Dass die Gesichter aller Magical Girls in der Szene in Kristians Version ein wenig wie Sakura aussehen, ist vielleicht nur ein Zufall.
    Als er im Bett liegt, sieht er ihr Gesicht vor sich: »Du brauchst Magie!«, hört er sie sagen. Sein Bauch gluckst vor Vergnügen.
    Die Vorstellung, dass sich überall in seinem Zimmer Magical Girls versteckt halten, um über ihn zu wachen, gefällt ihm und trägt ihn in den Schlaf hinüber.
    Niemand stört ihn in dieser Nacht, der Vater kommt erst am nächsten Mittag nach Hause zurück.

Im Schulbüro kopiert Kristian seine Geschichte und gibt sie dann ab. Sakura ist nicht da. Er ist froh darüber. Er hat keine Ahnung, wie er ihr das nächste Mal begegnen soll, jetzt, da sie es weiß. Nur seine Hand legt er ab und zu an die Stelle, die von ihrer Hand berührt wurde.
    In der letzten Stunde haben sie Deutsch bei Frau Wischer. Nach dem Unterricht ruft sie ihn zu sich und drückt ihm eine Zeitung in die Hand. »Da ist ein Artikel drin, der dich interessieren könnte«, sagt sie.
    Er stopft die Zeitung in seine Schultasche, wo sie zwei Tage ungelesen bleibt. Auf der Suche nach seinem Hausaufgabenheft entdeckt er sie wieder. Etwas unwillig blättert er sie durch. Er liest nicht gerne, tut es nur Frau Wischer zuliebe. Falls sie ihn fragen sollte, mag er sie nicht belügen. Auf der dritten Seite hat sie einen Artikel rot markiert.
    Â»Täter gefasst!«, steht da in großen Buchstaben. Es handelt sich um den Mann aus der Zeitungsgeschichte, den die Polizei nun endlich nach jahrelanger Fahndung gefasst hat. Er hat mehrere kleine Mädchen im Park angesprochen und dann in einem Gebüsch missbraucht. Er wird für viele Jahre im Gefängnis bleiben.
    Kristian hört schon nach dem ersten Absatz auf zu lesen. Er will das nicht lesen, er will davon gar nichts wissen. Seine Augen bleiben am letzten Satz hängen, den Frau Wischer rot markiert hat: »Schuld hat immer der Täter, nie das Opfer!«
    Er zerknüllt die Zeitung und wirft sie in seinen Papierkorb. Er will davon nichts wissen. Es ändert ja doch nichts.Eine Woche später macht Kristian unfreiwillig Überstunden in der Schule. Er ist zusammen mit Juri und Dawid beim Wodkatrinken erwischt worden. Maren, die Schmiere stand, hat sich von der Pausenaufsicht überlisten lassen. Der Lehrer stand so plötzlich vor ihr, dass sie keine Warnung mehr loslassen konnte. Zur Strafe müssen sie nach der sechsten Stunde dem Hausmeister beim Fegen des Schulhofes helfen.
    Vergeblich hat Kristian Herrn Malert angefleht, ihn erst am nächsten Tag fegen zu lassen. Es ist Mittwoch und Katarina kommt mit dem kleinen Tobias pünktlich um halb zwei. Kristian schafft es meist gerade so eben, aber auch nur, wenn er beim Klingelzeichen aus der Klasse rast.
    Â»Das hättest du dir früher überlegen müssen. Dies hier ist eine Strafe, kein Wunschkonzert. Wenn es nicht wehtäte, würde es ja nicht wirken. Was auch immer du vorhast, vergiss es.«
    Â»Aber ich muss …«
    Â»Fegen, mein Lieber. Nur fegen. Von halb zwei bis zwei heißt dein Pflichtprogramm: fegen.«
    Vom Klo aus ruft er bei Katarina an, aber die ist wohl schon unterwegs und hat ihr Handy abgeschaltet. Vielleicht ist sie ja bereits in der Wohnung und wartet auf ihn. Sie hat immer noch einen Schlüssel. Manchmal kommt sie früher. Und wirklich, der Hörer wird abgenommen.
    Â»Katarina! Ich …«
    Â»Die ist noch nicht da. Wo bleibst du denn?« Die Stimme des Vaters. Kristian ist erleichtert. »Kannst du kurz auf Tobi aufpassen? Ich muss für Herrn Malert etwas erledigen«, erklärt er, und das ist ja
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