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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Mischke
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gutes Ende nehmen würde. Ihr Vater würde um sie trauern, aber letztendlich würde sich sein Leben nicht sehr verändern, wenn es sie nicht mehr gab. Robin würde vielleicht einen sentimentalen Nachruf auf sie verfassen und sich danach der bittersüßen Melancholie hingeben. Beim Gedanken an Robin fiel ihr ein, daß sie noch etwas zu erledigen hatte. Sie kramte in ihrem Rucksack und fand einen Bleistiftstummel. Selbstverständlich schleppte sie keinen Notizblock mit sich herum, aber die Not machte auch dieses Mal erfinderisch. Sie zog den Tabak aus der Hosentasche und klebte Zigarettenpapierchen aneinander. Fünfzehn Stück mußten reichen. Seltsamerweise überkam sie erneut die Lust zu rauchen. Das wäre dann definitiv die letzte, sagte sie sich und unterdrückte ein Lachen. Im Schein ihrer Stirnlampe schrieb sie auf die Blättchen, was sie der Nachwelt zu sagen hatte. Der Gewehrschaft diente ihr als Unterlage. Sie überlegte, wo sie das dünne Papier sicher und vor Witterungseinflüssen geschützt unterbringen konnte. Wer weiß, wann man sie finden würde. Sie schob es in die Plastikhülle, die die Landkarte schützte, die Trenz ihr geschickt hatte, der Mann, dem sie gerne einmal begegnet wäre.
    Dann löschte sie die Lampe. Der kühle Wind des Morgens hatte während des Tages nachgelassen, die Bäume standen still. Ein fahler Rest von Licht glühte am Himmel, ein schöner Tag ging zu Ende. Ein Hustenanfall schüttelte sie. Danach fühlte sie sich, als hätte sie sich gerade den letzten Rest an Lebenskraft aus dem Leib gehustet. Die Hände im Schoß saß sie da und lauschte den nächtlichen Waldgeräuschen, die man tagsüber nicht wahrnahm. Dort ein Knacken, da ein Rascheln. Vielleicht ein Fuchs. Oder ein Luchs. Ein Kauz schrie, na toll, dachte Klara, geht’s noch ein bißchen unheimlicher? Es ging. Wie ein leiser Wind setzte der Ton ein. Es kam von Westen, ein langer, sich immer höher schraubender, klagender Urlaut.
    »Drago«, flüsterte Klara.
    Erneut tönte sein Wolfsgesang durch den Wald, nun etwas lauter, dann setzte eine zweite Stimme ein, höher, etwas dünner, aber ausdauernder. Shiva. Sie mußte ganz in der Nähe sein.
    Einen Augenblick blieb es still. Dann erklang, von Norden und am weitesten entfernt, der heisere Tenor von Ruska, in den die anderen beiden wenig später einstimmten. Nach und nach harmonisierten sie ihren Gesang, wie ein gut geführter Chor, so daß es sich manchmal anhörte, als heule nur ein Wolf aus verschiedenen Richtungen.
     Sämtliche Waldgeräusche um sie herum waren verstummt, als hielte der Wald den Atem an. Sie redeten miteinander. Alleingelassen in diesem fremden Gebiet suchten sie den Kontakt zueinander. Ein schmerzhaftes Glücksgefühl überkam Klara, sie spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen rollten. Vielleicht verabreden sie sich zur Jagd, dachte sie, oder sie teilen sich mit, wo Beute liegt, oder sie verkünden das Ende ihrer Anführerin. Sie schloß die Augen und lauschte ihrer Totenklage.

VIII.
     
    Die Bunte erschien am Donnerstag darauf mit ihrer Homestory über Richter Johannes Frenzen. Viele Bilder, wenig Text, aber immerhin wurde berichtet, daß Johannes Frenzen und seine junge Lebensgefährtin Barbara Klein ganz in Weiß heiraten und mit dem alten Mercedes zur Dorfkirche fahren würden. Hannes mußte trotz allem grinsen, als er die zwei Doppelseiten betrachtete, besonders das Foto, auf dem sich Barbara und er über den Mercedes hinweg anschmachteten.
    Am selben Tag berichteten die Tageszeitungen von einem Tötungsdelikt, welches ein Freund von Richter Johannes Frenzen auf dessen Gutshof südlich von Hannover begangen hatte. Die Gewalttat an sich stieß dabei auf ein gewisses Verständnis. Wer nachts auf fremden Grundstücken herumschlich, führte sicherlich nichts Gutes im Schilde, und es war das Recht eines jeden guten Bürgers, sich zu wehren. Die Leiche den Schweinen des Nachbarn zu verfüttern, war eine andere Sache. Man konnte das wohlige Gruseln zwischen den Zeilen spüren, die dieses Vorgehen als »abscheulich« und »bestialisch« beschrieben. Als einen Tag später bekannt wurde, daß Johannes Frenzen einer bundesweit gesuchten Mörderin und Brandstifterin Unterschlupf gewährt hatte, titelte die Bildzeitung Deutschlands dümmster Richter .
    Mia Karpounis nahm die Sache zum Anlaß, einen Artikel über die Situation muslimischer Frauen in Deutschland zu verbreiten, in dem sie den Ehrbegriff männlicher Muslime ordentlich geißelte. Zwar
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