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Wo die Wuerfel fallen

Titel: Wo die Wuerfel fallen
Autoren: Wolfgang Seidel
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strömenden DD R-Bürgern musste das SE D-Regime reagieren und wenigstens Reisefreiheit gewähren. Ein Gesetzentwurf dafür war seit Anfang November in den Ministerien und im Politbüro in Umlauf. Über den Stand der Gesetzesvorbereitungen informierte am Abend des 9. November 1989 der unzureichend vorbereitete, neu installierte Z K-Pressesprecher Günter Schabowski die internationalen Journalisten auf einer Pressekonferenz. Schabowski las aus einer Presseerklärung ab, die erst am nächsten Tag bekannt gegeben werden sollte: »Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt … Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Berlin (West) erfolgen«, und auf Nachfrage eines Journalisten fügte er hinzu: »Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.«
    Diese kurz vor 19 Uhr im Fernsehen direkt aus dem Presseamt übertragenen Sätze wurden sofort als »Die Mauer ist offen« interpretiert. Der gerade in Bonn versammelte Bundestag unterbrach kurz seine Sitzung. Die Nachricht wurde »begrüßt« und die Abgeordneten sangen das Deutschlandlied. In Ost-Berlin drängten die Menschen zu den Grenzübergängen und sahen sich völlig unvorbereiteten Grenzpolizisten gegenüber und verlangten Durchlass. Um 23.30 Uhr ging der erste Schlagbaum an der Bornholmer Straße hoch. Die Mauer war gefallen.

|235| Die Neunzigerjahre
    Wir sind ein Volk
    Nach dem Mauerfall wurden die Demonstrationen in der DDR fortgesetzt. Der Mauerfall hatte den DD R-Bürgern zwar die Reisefreiheit gebracht, aber das SE D-Regime herrschte vorläufig weiter und vor allem sah man nicht, wie es schnell und nachhaltig die wirtschaftliche Lage und die kurz vor dem Kollaps stehende Infrastruktur verbessern könnte. Eine Änderung mit friedlichen Mitteln, ohne revolutionären Umsturz, erhoffte man sich daher von einem Anschluss an Westdeutschland. Die nunmehr leicht veränderte Losung »Wir sind ein Volk« zielte daher klar auf die Wiedervereinigung. Der Satz lehnt sich an eine Zeile aus Schillers
Wilhelm Tell
an: »Wir sind ein Volk und einig woll’n wir handeln.«
    Blühende Landschaften
    In einer Fernsehansprache zur Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen BRD und DDR sagte Bundeskanzler Helmut Kohl am 1. Juli 1990: »Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt.« Kohl verwendete dieses Bild noch öfter. Da sich dieses Versprechen allerdings nicht in der gewünschten Weise und vor allem nicht schnell erfüllte, hat es sich besonders eingeprägt und wird meist mit einem ironischen Unterton zitiert.
    Wiedervereinigung
    Der Einigungsvertrag zwischen der DDR und der BRD, in dem die neuen Länder (Beitrittsländer) auf dem Gebiet der nunmehr ehemaligen DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes erklärt wurden, trat am 3. Oktober 1990 in Kraft. Dieses erweiterte Staatsgebilde erlangte erst durch den parallel dazu ausgehandelten »Zwei-plus-Vier-Vertrag« mit den ehemaligen Besatzungsmächten seine volle Souveränität. Die Zustimmung der damals noch bestehenden Sowjetunion erlangten Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher von Generalsekretär Gorbatschow |236| und Außenminister Eduard Schewardnadse bei den Verhandlungen im Kaukasus im Sommer des Jahres.
    Wende
    »Mit der heutigen Tagung werden wir eine Wende einleiten, werden wir vor allem die politische und ideologische Offensive wiedererlangen«, sprach der Vorsitzende Egon Krenz bei seiner Antrittsrede als Generalsekretär des ZK der SED am 18. Oktober 1989 und nahm damit den zwei Tage alten
Spiegel
-Titel »DDR – Die Wende« auf. Mittlerweile meint der Begriff den friedlichen Entschlafensprozess der DDR nach dem Mauerfall bis zur Wiedervereinigung. Staatspolitisch vollzog sich dies innerhalb eines guten halben Jahres in drei Schritten: Erste freie Volkskammerwahl am 18. März 1990, Einführung der D-Mark in der DDR am 1. Juli 1990, Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990.
    Besserwessi
    »Wort des Jahres« 1991. Beamte und Manager aus dem Westen Deutschlands waren im Zuge der Wiedervereinigung in die neuen Länder gekommen, wo man mit westdeutscher Verwaltungspraktik und Betriebsorganisation
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