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Wo die Wahrheit ruht

Wo die Wahrheit ruht

Titel: Wo die Wahrheit ruht
Autoren: Christiane Heggan
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den Mund. “Oh Gott, Sarah, wie entsetzlich. Einfach unfassbar. Es tut mir so leid.”
    “Ich habe ihn gewarnt, dass er sich mit seinen dummen Geschichten eines Tages zugrunde richten würde. Doch er hat nicht auf mich gehört – das hat er ja noch nie.”
    “Wann ist es passiert?”
    “Letzte Woche.”
    Grace straffte die Schultern. “Und Sie haben mich nicht benachrichtigt?”
    “Warum sollte ich? Sie und Steven haben sich bereits vor mehr als zehn Jahren getrennt.”
    “Aber wir sind Freunde geblieben und standen weiter in Kontakt. Noch vor weniger als einem Monat habe ich mit ihm gesprochen.”
    “Das habe ich nicht gewusst”, entgegnete Sarah steif.
    “Warum erzählen Sie es mir dann jetzt?”
    “Wegen des Testaments.”
    Eine unvorstellbare Neuigkeit jagte die nächste. “Steven hat mich in seinem Testament bedacht?”
    “Er hat Ihnen die Galerie vermacht.”
    Diese Nachricht verschlug Grace erneut die Sprache. Ungläubig sank sie in die Polster zurück.
    Sarah langte in ihre schwarze Krokotasche, zog ein Bündel gefalteter Papiere hervor und reichte es ihr. “Das ist eine Kopie des Testaments. Werfen Sie einen Blick auf Seite vier.”
    Grace nahm das Testament entgegen, blätterte bis zu Seite vier und begann zu lesen. Sarah hatte recht, daran ließ selbst die vertrackte Juristensprache keinen Zweifel. Steven hatte ihr die Hatfield Gallery in New Hope, Pennsylvania, hinterlassen. Nachdem sie den Absatz noch ein zweites Mal gelesen hatte, schüttelte sie den Kopf. “Das kann ich nicht annehmen.”
    “Er hat gewusst, dass Sie das sagen würden. Lesen Sie bitte weiter.”
    Grace las auch den nächsten Absatz: “Sollte Grace McKenzie mein Erbe ausschlagen, so bitte ich sie, die Galerie eine Woche lang zu führen, bevor sie ihre endgültige Entscheidung trifft. Sollte sie nach dieser Zeit ihre Meinung nicht geändert haben, fällt die Galerie an meine Mutter, Sarah Hatfield.”
    “Haben Sie die Galerie schon einmal gesehen?”, fragte Sarah, als Grace das Dokument langsam wieder zusammenfaltete.
    “Nein. Steven hatte mich zwar zur Eröffnungsparty eingeladen, doch da wir damals im Museum eine wichtige Ausstellung vorbereiteten, konnte ich mir nicht freinehmen.” In Wahrheit hatte sie einfach keine Lust gehabt, Sarah über den Weg zu laufen. “Ich wollte eigentlich im Jahr darauf hinfahren, habe es jedoch nicht getan.”
    “Zu schade. Sie würde Ihnen gefallen.”
    “Das glaube ich gern. Steven war sehr stolz darauf.” Sie streckte Sarah das Testament entgegen, doch diese machte keine Anstalten, es wieder an sich zu nehmen. “Ich wünschte, Sie hätten angerufen”, sagte Grace. “Dann hätten Sie sich die Reise sparen können.”
    “Steven hatte ganz eindeutig eine hohe Meinung von Ihnen als Mensch und als Kunstexpertin.”
    Sie klang geradezu aufrichtig. “Ich habe schon einen Job, Sarah. Und zwar einen, der mir sehr viel bedeutet.”
    “Aber ist dein Griff Museum nicht bis Thanksgiving wegen Renovierungsarbeiten geschlossen?”
    Offensichtlich hatte Sarah ihre Hausaufgaben gemacht. “Mein Vater erwartet mich. Die Flugtickets habe ich schon in der Tasche, und meine Koffer sind so gut wie gepackt.” Warum verlor sie sich in Erklärungen, wenn ein einfaches Nein genügt hätte? Grace wunderte sich über ihr eigenes Verhalten.
    “Soweit ich das nach den paar Tagen sagen kann, die ich dort verbracht habe”, fuhr Sarah fort, “ist New Hope eine friedliche, kleine Stadt, in der jeder jeden kennt und die hauptsächlich von Kunsthandel und Tourismus lebt. Der Mord an Steven hat dort alles durcheinandergewirbelt. Nur ein einziges Ereignis hat in diesem Nest je ein ähnliches Entsetzen ausgelöst. Damals ist ein Mädchen aus dem Ort verschwunden und bis heute nicht wieder aufgetaucht. Aber das ist schon mehr als 20 Jahre her!”
    “Sarah …”
    “Nur eine einzige Woche, Grace, das ist alles, worum er Sie bittet. Sie haben gesagt, Sie wären Freunde geblieben; wie können Sie ihm dann seinen letzten Wunsch ausschlagen?”
    “Bitte, hören Sie auf damit.”
    Doch Sarah zeigte keine Gnade. “Ich bin sicher, Ihr Vater würde es verstehen.”
    Grace spürte, wie ihre Entschlossenheit ins Wanken geriet. Der Teufel sollte diese Frau holen. In einem Punkt jedoch hatte sie recht – Grace' Vater würde es verstehen, und sie hätte dann immer noch drei ganze Wochen, die sie mit ihm verbringen könnte. “Vielleicht lässt es sich einrichten.”
    “Großartig”, sagte Sarah; ihre Stimme klang
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