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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition)
Autoren: Roxann Hill
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verfärbte Haut hatte an mehreren Stellen angefangen, sich mitsamt dem Gewebe abzulösen. Ein übler Geruch schlug uns entgegen.
    „Das hier ist…“, Ott unterbrach sich, drehte sich ab und unterdrückte ein Würgen, bevor er fortfuhr „das hier war Bernhard Schwarz, dreiundzwanzig Jahre alt, aktives Mitglied unserer Diözese.“
    „Todesursache?“, fragte ich.
    „Ertrunken.“ Ott zögerte wieder.
    „Wie ist das passiert?“
    „Das ist eben noch nicht so ganz eindeutig.“ Ott räusperte sich.
    Einer der Polizisten kam. Er schleppte ein halbes Dutzend Ziegelsteine, zusammengebunden mit einem Paketband.
    „Wir haben die hier gefunden, Hochwürden“, sagte er zu Ott. „Wie wir das sehen, hat sich der Verstorbene mehrere solcher Gewichte aus Steinen gebaut, hat sie mit einem Seil an seinem Körper befestigt und ist damit ins Wasser gegangen.“
    „Er hat sich vorsätzlich ertränkt“, konkretisierte ich.
    „Ja, das hat er“, bestätigte der Beamte.
    Ich wandte mich der Leiche zu. Der Tote musste ein gutaussehender Mann gewesen sein, bevor ihn das Wasser verändert hatte. Ich ließ mir von dem Polizeibeamten Gummihandschuhe geben, zog sie über und hob behutsam den linken Arm der Leiche an. Ich musste nicht lange suchen. In der Handinnenfläche und auf dem Handrücken waren runde Löcher erkennbar. Auch er hatte sich Nägel ins Fleisch getrieben.
    „Ist sein rechter Arm gebrochen?“, fragte ich.
    Ott nickte. „Aber es ist keine frische Verletzung. Der Arzt meinte, der Bruch sei sicherlich einige Tage vor seinem Ertrinken entstanden. Bernhard habe ihn allerdings nicht behandeln lassen.“
    Ich betrachtete beide Arme nochmals. „Und was ist mit den seltsamen Malen auf den Innenseiten der Handgelenke und auch in beiden Armbeugen?“ Ich wies auf besagte Stellen.
    Der Prälat trat einen Schritt näher heran, darauf bedacht, durch den Mund zu atmen. „Ach, diese Spuren. Laut dem Arzt, handelt es sich vermutlich um Kratzspuren.“
    „Kratzspuren?“
    „Das Opfer muss kurz vor seinem Tod unter einem akuten Ausschlag gelitten haben.“
    „Er ist hierhergekommen, mit einem gebrochenen Arm. Er hat seine linke Hand mit einem Nagelbrett malträtiert. Und dann hat er sich Gewichte umgebunden und ist ins Wasser gesprungen? …Das macht doch keinen Sinn“, fasste ich zusammen.
    Wagner zuckte beinahe hilflos mit den Schultern. „ Das macht doch keinen Sinn - Wir haben uns das Gleiche auch bei Cornelia gedacht. Sie war eine lebenslustige Frau, bis sie sich verändert hat. …Und jetzt der Tote hier, Bernhard Schwarz.“ Wagner warf dem Opfer einen kurzen Blick zu, aus dem tiefes Mitgefühl sprach.
    Der Prälat trat an die Bahre und zog das Leichentuch behutsam über das Gesicht des Toten. „Ich habe Bernhard gekannt. …Er war Halbwaise müssen Sie wissen. Er hatte nur noch seine krebskranke Mutter. Sie befindet sich momentan zur stationären Behandlung in der Klinik, wo ich sie gelegentlich besuche. Manchmal ist…, manchmal war auch Bernhard da. Und so sind wir ins Gespräch gekommen.“
    Ott hatte sich von uns abgewandt und sprach in Richtung des Sees. „Er sah nicht so aus, als ob ihn etwas anderes bedrückte, als die Krankheit seiner Mutter, und die bekommen die Ärzte langsam in den Griff. …So viel er mir erzählt hat, war er gut im Studium, engagierte sich als Fußballtrainer einer Kindermannschaft seiner Kirchengemeinde und war leidenschaftlicher Hobbyfotograph. …Und jetzt das hier. Das ist völlig unverständlich.“

4
     
    A ls wir uns ins Auto setzten, um zurück nach Hause zu fahren, hielt ich kurz inne und suchte Blickkontakt mit Wagner. „Ich denke, wir müssen reden.“
    Er schien nicht überrascht, sondern nickte nur.
    Streng genommen hätten wir uns auch im Wagen unterhalten können, aber ich wollte meine Aufmerksamkeit nicht zwischen der Fahrt und unserem Gespräch aufteilen. Ein Stück weiter hatte ich eine Parkbucht erblickt. Ich steuerte auf den Rastplatz zu, hielt an und wir stiegen aus.
    „Wollen Sie etwas trinken?“, fragte ich.
    „Ja, das wäre schön“, antwortete Wagner.
    „Ich habe Kaffee dabei.“
    „Kaffee ist prima.“
    Ich holte meine Thermoskanne aus dem Kofferraum und eine Reservetasse. Wir setzten uns gegenüber an eine dieser typischen Essgruppen, wie man sie auf jedem Rastplatz findet. Sie war aus groben Holzbohlen gezimmert. Ich blickte mich um. Im Sommer konnte man von hier aus sicherlich einen schönen Blick auf die Landschaft genießen. Jetzt verbarg sich
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