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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition)
Autoren: Roxann Hill
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Ärztin lächelte wehmütig und strich sich ihr Haar aus der Stirn. Ihre Gesichtszüge wurden hart. „Nun ja. Egal. Um ihn kümmere ich mich auch noch. …Ich habe noch so viel vor. Auf mich warten noch etliche Kinder, die darauf bauen, von mir gereinigt und erlöst zu werden. Ich darf sie nicht noch länger enttäuschen. Denn ich habe sie in letzter Zeit sträflich vernachlässigt. Ständig musste ich aufpassen und euch zuvorkommen - ihr habt mich sogar gezwungen, in der Psychiatrie einzubrechen. …Und Vivian, die arme Vivian! Sie war noch nicht so weit. Aber ihr konntet es ja nicht lassen, eure Nachforschungen auf Cornelias Freunde auszudehnen. Euretwegen musste ich die Dinge beschleunigen. …Und nun siehst du, wozu das geführt hat. Vivian ist noch am Leben. Es wird jetzt viel schwerer werden, ihr das zu geben, was sie braucht. …Ihr habt mich genug gestört und behindert. Damit ist jetzt Schluss.“
Sie ging rückwärts von mir weg und ich hörte, wie sie die Tür von außen verschloss. Ich hatte keine Kraft mehr. Ich sank zu Boden, fiel zur Seite und blickte in das Gesicht von Paul. Seine Augen waren geschlossen. Er atmete rasselnd. Blut hatte sich unter seiner Wange gebildet. Es sickerte aus seiner Kopfwunde.
Durch die gläsernen Sprossenfenster konnte ich die Ärztin sehen. Sie hielt einen großen silbernen Kanister in der Hand und bespritzte mit seinem farblosen Inhalt ausgiebig die Holzwände und die Scheiben. Der leere Behälter fiel achtlos zu Boden. Sie winkte mir zu, trat einen Schritt zurück und in ihrer Hand erschien ein gelbes Leuchten. Sie warf das brennende Streichholz an die Scheibe. Sofort züngelten Flammen empor. Es knackte und prasselte, als sich das Feuer zögerlich in das Holz fraß.
„ Diethylether – hochentzündlich, aber unschlagbar bei der Behandlung von Holz “, wiederholte ich Frau Dr. Hofmanns Worte für den bewusstlosen Paul.
Die Ärztin wirkte entspannt und gelassen. Fasziniert betrachtete sie das Werk der Zerstörung, das sie anrichtete. Erster Rauch zog durch die Spalten, sammelte sich zunächst auf dem Boden in einer Ecke und kroch schwerfällig auf mich und Paul zu.
Der Qualm veränderte sich. Er wurde dunkler, schwarz, die Flammen bildeten sich zurück.
Ich sah die Ärztin wütend den Kopf schütteln. Dann verschwand sie aus meinem Blickfeld.
Sehr schnell war sie wieder da. Sie schleppte mehrere dieser Kanister heran und stapelte sie vor der Tür. Das Feuer war fast zum Erlöschen gekommen, der Rauch nahezu verschwunden.
Sie öffnete einen neuen Kanister und schüttete dessen Inhalt zunächst über die anderen Behältnisse und dann mit energischer Geste auf die Außenwände und Fenster der Hütte.
Etwas wie ein Blitz zuckte auf, eine Feuerlanze schoss von der Wand des Gartenhauses auf sie zu, kroch in den Kanister und explodierte in einem roten Sonnenrad.
Ich wurde geblendet, meine Lider schlossen sich reflexartig und als ich sie wieder öffnete, sah ich die Ärztin ähnlich einer brennenden Fackel vor dem Fenster hin und her rennen. Sie kam ganz dicht an die Hütte heran, schlug mit den Fäusten gegen das Glas. Die Flammen fraßen sich lodernd an ihr empor.
Wieder gab es einen Knall, als die restlichen Kanister explodierten. Das Fenster zerbarst, Scherben regneten. Die Ärztin wurde wie von einer unsichtbaren Faust weggeschleudert. Übrig blieben die Flammen. Sie prasselten gefräßig und hemmungslos auf dem trockenen Holz der Hütte.
Ein Teil der Decke stürzte ein.
Ich wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis die Feuerlanzen uns erreichten. Und ich wusste auch, dass ich meinen Tod nicht sonderlich spüren würde. Aber Paul. Die alles verschlingenden Flammen würden ihn zu Bewusstsein bringen, bevor sie ihn langsam, aber unendlich qualvoll in den Tod hinüberreißen würden.
Das durfte ich nicht zulassen. Nicht schon wieder sollte ein Mensch meinetwegen leiden.
Die Hand mit meiner Pistole hob sich wie von selbst. Ihr Lauf zeigte auf Pauls Stirn. Diesmal krümmte sich mein Finger vollständig.
Der Schuss dröhnte überlaut.

43
     
D unkelblauer Himmel.
Nicht die Spur einer Wolke.
Helligkeit, die in meinen Augen brennt.
Das Gesicht von Paul. Nachdenklich und prüfend.
„Nein“, sagt er und fügt hinzu: „Du bist nicht gestorben.“
Ich versuche zu reden, schaffe nur ein heiseres Lallen.
Paul lächelt. An seiner Wange klebt getrocknetes Blut. „Ich habe dich aus der brennenden Hütte gezogen.“
Seine Hand, übergroß, streicht fürsorglich Haare aus meiner
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