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Wo die Liebe beginnt

Wo die Liebe beginnt

Titel: Wo die Liebe beginnt
Autoren: Emily Giffin
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Abschlussveranstaltung zu kommen, ruft Marian mich an und wünscht mir alles Gute. Außerdem will sie unsere Verabredung für später bestätigen.
    Â»Ich werde dich im Publikum suchen. Welche Farbe trägst du?«, frage ich, und meine Mutter tut, als bekäme sie nichts mit.
    Â»Rot«, erwidert Marian stolz, denn ich habe ihr mal gesagt, dass das unsere Schulfarbe ist.
    Ich werfe einen Blick auf meine Mutter, die ebenfalls Rot trägt und sage: »Okay, dann entdecke ich dich bestimmt.« Dann frage ich sie, ob sie weiß, wie man zu unserem Haus kommt.
    Â»Ja«, sagt sie. »Mach dir keine Sorgen. Genieß einfach die Veranstaltung. Wir sehen uns dann danach.«
    Â»Okay.« Ich denke an Conrad, der mir gestern Abend gesagt hat, dass er nun doch kommt. Fast erzähle ich es ihr, aber dann kommt mir der Gedanke, dass er vielleicht nicht will, dass sie es weiß, und dass er ihr lieber aus dem Weg gehen würde. Darum verabschiede ich mich bald.
    Sofort fragt meine Mutter: »Welche Farbe trägt sie?«
    Â»Ã„h, Rot. Was für ein Zufall, oder?«
    Meine Mutter legt die Stirn in Falten. »Ich hab’s gewusst … Soll ich mich umziehen?«
    Sie hat so lange nach dem richtigen Kleid gesucht. Ich lege ihr den Arm um die Schultern und sage: »Nein, Mom. Du solltest dieses Kleid tragen. Es steht dir einfach toll.« Ich schaue sie an und hoffe, dass sie meine Gedanken lesen kann: dass es völlig egal ist, was sie anhat. Dass ich nur eine echte Mutter habe. Und das ist sie.
    Wenig später, nachdem meine Eltern und Charlotte mich abgesetzt haben und einen Parkplatz suchen, stehe ich inmitten meiner Klassenkameraden in der Vorhalle der Cathedral Basilica. Ich betrachte die beinahe einhundert Jahre alten Wände. Sie sind mit einem Mosaik geschmückt, auf dem der Namenspatron unserer Stadt abgebildet ist: der heiliggesprochene französische König Ludwig IX. Vorhin im Auto hat meine Mutter doziert, dass die Mosaikarbeiten im Innenraum zu den größten Mosaiken der Welt gehören. Mir ist klar, dass sie Marian nicht nur unsere Familie im besten Licht zeigen will, sondern auch die Stadt und meine Schule. Mir selbst geht es ähnlich, das muss ich zugeben.
    Irgendwie schaffen wir es, uns geordnet in Zweierreihen aufzustellen. Die Mädchen tragen weiße Barette und Talare, die Jungen dasselbe in Rot. Die Lehrer sind ebenfalls da, auch sie tragen Barett und Talar. Mr. Tully sieht außergewöhnlich würdig und vor allem gut aus. Dann setzt die Musik ein: eine Einspielung von »Land of Hope and Glory« – das ist unser Einsatz. Alle werden still, sogar die Klassenclowns, und ich spüre eine außergewöhnliche, kollektive Gefühlsaufwallung, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das sich über alle möglichen Cliquen hinweg erstreckt – was ich nie für möglich gehalten hätte. Aber Menschen empfinden vielleicht am ehesten so, wenn sie wissen, dass etwas endgültig seinen Abschluss gefunden hat.
    Ich atme tief durch und betrete den kühlen, dunklen Kirchenraum. In die Leute, die sich auf den Bänken drängen, kommt plötzlich Leben, und überall blitzen Fotoapparate auf – was ziemlich ungewohnt ist in einer Kirche. Ich schaue hoch zu der atemberaubenden Decke und höre im Geiste die Stimme meiner Mutter: »Einundvierzig Millionen Glasstücke in mehr als siebentausend Farben.« Als wir uns wieder in Bewegung setzen, entdecke ich erst Marian unter den Gästen, dann meine Familie. Sie sitzen auf verschiedenen Seiten des Ganges, aber so ziemlich in derselben Reihe, darum schaffe ich es nicht, zu allen Blickkontakt aufzunehmen. Stattdessen gucke ich einfach geradeaus und halte die Hände gefaltet, so, wie man es uns gesagt hat. Conrad sehe ich nicht, und ich beschließe, nicht enttäuscht zu sein, wenn er doch nicht auftaucht.
    Als die Musik aufhört, setze ich mich ans Ende einer langen Kirchenbank – wir nehmen unsere Plätze in der alphabetischen Reihenfolge unserer Nachnamen ein. Dann blättere ich durch das Programmheft, in dem die Namen der besten Schüler hervorgehoben sind. Ich schließe das Heft wieder, mache die Augen zu und gleite in meine ganz private Gedankenwelt ab, obwohl die Reden von Father O’Malley und unserer Jahrgangsbesten Gena Rych bestimmt sehr unterhaltsam sind.
    Ich denke über meine Geburt und Adoption und meine ersten achtzehn Lebensjahre nach. Ich
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