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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
Autoren: Martin Gohlke
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Ich würde jetzt gern sofort meinen Mann sehen.“
    Der Aufforderung folgte der feste Schritt von Frau Reiff zur breiten Treppe, gefolgt von Ilona und dem Helfer.
    „Hiergeblieben!“, wies der Professor seinen Helfer an. „Wir lassen das Ehepaar vorerst alleine und begnügen uns mit einem Gespräch mit den Tieren.“
     
    *
     
    Die Entscheidung war schnell gefallen. Weder der Professor noch sein Helfer wurden von der Welt benötigt und so mieteten sie sich für unbestimmte Zeit, „wahrscheinlich für 17 Tage“, wie der Professor gegenüber dem Portier verlautbarte, in dem schräg gegenüber dem Hospiz liegenden Hotel ein. Ilona bekam direkt ein Zimmer im Hospiz.
    Wann immer Manfred es wünschte, gesellte sich der Professor ins Hospiz, meistens zum langen Frühstück, das gern von den Gästen, Pflegern und Angehörigen gemeinsam eingenommen wurde und dann noch einmal am späten Nachmittag. Den Rest seiner wachen Zeit hielt sich der Professor vornehmlich im „Exit“, der Kneipe von Robert Lang, auf. Hier konnte nicht nur getrunken, sondern auch vorzüglich gespeist werden. Ein Sofa samt Decke sorgte dafür, dass der Professor dort auch zu seinem seit einem Jahrzehnt obligatorischen nachmittäglichen Nickerchen kam. Der Kneipenbetrieb störte ihn dabei nicht, denn „entweder hat man die Ruhe in sich oder man bekommt sie trotz Stille nicht“, wie er es seinem jungen Helfer nicht lange erklären musste, der schon frühzeitig im Leben beschlossen hatte, sich Unruhe nach Möglichkeit zu verweigern. „Die Haltung wirst du spätestens mit 40 mit panischen Karrierebemühungen bezahlen“, hatte das der Professor mal kommentiert. Für den Wirt Robert Lang war die stete und zuweilen eben auch schlummernde Anwesenheit „unserer beiden Neu-Bürger von Totendorf“ – wie er seine Dauergäste alsbald gern zu begrüßen wusste –, sowieso kein Problem. Denn jemand, der einst erfolgreich den Kampf für ein anderes Dorf geführt hatte, verstand sich auf Anhieb bestens mit dem Professor. Die Anfrage des Helfers, ob er für den Fall einer Diplomarbeit für ein Interview zur Verfügung steht, kommentierte Robert Lang ebenso geschmeichelt wie selbstbewusst: „Nur, wenn meine Äußerungen nicht gekürzt werden.“
    Wie es in dem Hospiz üblich war, wurde Ilona als erste Angehörige entsprechend ihrer Wünsche und Möglichkeiten in den Hausbetrieb integriert. Der Wille der Gäste bestimmt in einem Hospiz den Tagesablauf und so erschien Manfred stets als Letzter zum Frühstück. Dafür ging er auch als Letzter, meistens erst dann, wenn Menschen, die arbeiten müssen, zum schnellen Mittagessen geklingelt wurden. Nach einer Ruhepause genoss Manfred den unbeschränkten Genuss von Kaffeegetränken und hochgezuckerten Süßwaren. Zeigte Manfreds Stimmung bis dahin weder nach unten noch nach oben besondere Ausschläge, so hatte er danach oft eine beeindruckend gute Laune. Die Initialzündung dafür gab stets das Herrchen von Hund Höttges.
    Denn der schon seit sechs Wochen im Hospiz lebende Heinz Mastort sorgte dafür, dass Manfred in „dieser nun eher späteren Phase meines Lebens“, wie er mal zu Hund Höttges meinte, viel zu lachen hatte. Heinz Mastort hatte vor zwölf Jahren innerhalb von nur wenigen Monaten eine ganze Reihe fürchterlicher Erfahrungen gemacht. Zuerst erhielt er die Diagnose einer schlimmen Krankheit, die seine anzunehmende Lebenserwartung gewaltig herabsetzte. Fast zeitglich starben seine Frau und seine Kinder eines Unfalltodes. Kurz darauf erhielt er über seinen ihm stets liebevoll begegnenden Vater die Nachricht, dass der in der NS-Zeit Dutzende von Menschen gefoltert hatte, auch mal bis zum Tode.
    Mit diesen drei Schlägen in direkter Verbindung stand die alsbald folgende, ersatzlose Beendigung eines hochdotierten Arbeitsverhältnisses.
    Geschlagen vom Schicksal beschloss Heinz Mastort noch in der Irrenanstalt, sein Leben zukünftig ausschließlich dem Fußballsport zu widmen. Dabei war es nicht so, dass Heinz Mastort bis zu diesem Zeitpunkt irgendeine Beziehung zu dieser Ballspielart gehabt hätte, nein, er hatte bis dahin einen hochgeistigen Beruf ausgeübt, den er sogar als Berufung empfunden hatte. Welcher Beruf das war, das wollte er Manfred nicht sagen.
    Bei der anvisierten Analyse des Fußballsports lehnte Heinz Mastort jede Oberflächlichkeit ab. „Ganz oder gar nicht“ hieß sein Motto. Nach einigen Jahren entschied er sich dabei zu einem harten Schnitt, in Folge dessen er sich nur noch auf die
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