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Wir sind unfassbar

Wir sind unfassbar

Titel: Wir sind unfassbar
Autoren: Matthias Nöllke
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»Aus die Maus«. Dabei haben sie uns mit so vielen schönen, kuriosen und anrührenden Exemplaren versorgt, dass wir wieder einmal nicht alle Schmuckstücke unterbringen konnten. Sie wissen schon, die kompositorischen Gründe, die musikalische Dramaturgie. Da ist nichts zu machen. Aber man kann es natürlich auch positiv wenden: Es gibt erneut einen Überschuss an bemerkenswerten Anzeigen. Und was das für die Leser von »Wir sind unfassbar« bedeutet, das soll Christian Sprang in seinem Nachwort erklären.
    Außer den neuen Stücken für die Sammlung bekamen wir auch einige Anzeigen zugeschickt, die erst kürzlich erschienen waren und die stark an das eine oder andere Exemplar aus unserem Buch angelehnt waren. Sollte tatsächlich »Aus die Maus« als Inspirationsquelle gedient haben? Wir wissen das natürlich nicht, aber wir fänden es nicht übel. Auch wenn wir natürlich keinen Leitfaden für das Abfassen von Trauerinseraten schreiben wollten und sich gewiss nicht jede Anzeige als Vorlage eignet. Und doch gefällt uns die Vorstellung, dass sich Leser von den »ungewöhnlichen Anzeigen« anregen lassen. Nicht nur weil manche Exemplare kleine sprachliche Meisterwerke sind, die auf diese Weise noch einmal gewürdigt werden. Sondern weil auch ein gewisser Mut, eine gewisse Unbekümmertheit oder ein gewisser Eigensinn dazu gehört, eine solche selbst gestrickte Annonce aufzugeben, anstatt den bewährten Mustern zu folgen.
    Schließlich erreichte uns noch eine Anzeige, die uns besonders berührt hat, weil sich mit ihr gewissermaßen der Kreis schließt. Es handelt sich um eine Annonce für Adelheid H., die eine der »Aus die Maus«-Anzeigen formuliert hatte und nun selbst verstorben war. In dem Text wird wahrhaftig auf unser Buch Bezug genommen. Dabei zeigt sich, dass die Hinterbliebenen »Aus die Maus« so verstanden hatten, wie es gemeint war, nämlich durchaus auch als Würdigung.

    Denn es wäre ein schlimmes Missverständnis, die Sammlung ungewöhnlicher Todesanzeigen so aufzufassen, als wollten wir uns über die Annoncen oder gar die Hinterbliebenen lustig machen. Das Gegenteil ist der Fall: Für alle, die diese ungewöhnlichen Anzeigen aufgegeben haben, empfinden wir große Sympathie. Für manche sogar Bewunderung, weil ihnen die Anzeige ungewöhnlich gut gelungen ist. Auch wenn man bei der einen oder anderen Gelegenheit schmunzeln muss – so tut man das kaum aus Häme, sondern aus Mitgefühl. Und wenn man lacht, dann gewiss nicht boshaft, sondern befreit. Denn wir alle teilen ja das Schicksal, sterblich zu sein. Oder wie es in einer klassischen »Aus die Maus«-Anzeige formuliert war: »Wer nicht stirbt, hat nie gelebt.«
    Zu guter Letzt müssen wir auch sagen, dass es ein großes Vergnügen war, »Aus die Maus« zu schreiben. Die Aussicht, dass wir das ein zweites Mal tun würden, war schon sehr verlockend. Zumal wir wieder auf die Unterstützung derer zählen konnten, die uns bereits beim ersten Mal zur Seite gestanden hatten: Unser Lektor Martin Breitfeld, unsere Herstellerin Elisabeth Scharlach und unser Verleger Helge Malchow. Und so hoffen wir, dass nun auch die Leser, die so viel zu diesem Buch beigetragen haben, ihre Freude an dem Buch haben.

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Wie ich unter die Todesanzeigensammler geriet
    Es ist noch gar nicht so lange her, da beschränkte sich mein Interesse an Todesanzeigen auf das flüchtige Durchblättern der betreffenden Zeitungsseiten. War jemand hochbetagt verstorben, beruhigte mich das irgendwie. So als wäre meine eigene Lebenserwartung gerade um einige Jahre erhöht worden. Dieser Effekt trat allerdings nur bei Lektüre der Lokalzeitung ein. Der dahinterliegende Gedankengang lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Wenn in deiner Stadt die Menschen so alt werden, dann hebt das den Schnitt. Sogar wenn du dich sicherheitshalber leicht unter dem Durchschnitt einordnest, verschiebt sich deine Orientierungsmarke mit jedem »Neunzigplusser« oder »Ninetysomething« beruhigend nach oben.
    Entdeckte ich Gleichaltrige oder Jüngere im Trauerrand, spielten solche statistischen Erwägungen hingegen keine Rolle. Dann empfand ich eher so etwas wie Mitgefühl, sofern man mit jemandem mitfühlen kann, von dem man nicht viel mehr kennt als sein Geburts- und Sterbedatum. Todesanzeigen gehörten also nicht zu den Dingen, denen ich übertriebene Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Nie wäre ich auf den Gedanken verfallen, sie auszuschneiden und zu sammeln. Ich tue es bis heute nicht. Wohl aber mein
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