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Wir neuen Großvaeter

Wir neuen Großvaeter

Titel: Wir neuen Großvaeter
Autoren: Rainer Holbe
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oder im Kindergarten wirklich optimal betreut und vor allem gefördert werden. Bei meinen gelegentlichen Besuchen im Kindergarten meiner Enkel stelle ich fest, wie engagiert die meisten Erzieherinnen sind. Als Ratgeberinnen und Rettungsanker verteilen sie Streicheleinheiten und wechseln Windeln. Dabei stehen sie auf der gesellschaftlichen Leiter auf den untersten Sprossen. Auch ihr Einkommen ist mehr als bescheiden.
    Außerdem höre ich von den jungen Erzieherinnen, dass die Väter und Mütter beim Elternabend oftmals resolut und nicht
immer freundlich ihre Stimme erheben. Manches, was da gesagt werde, habe nicht selten Stammtischniveau.
    Um ein Auto zu fahren, muss der Mensch eine Prüfung bestehen. Erziehungsberechtigter kann jeder werden. Und von Pädagogik wissen manche jungen Väter so viel wie vom Fußball: nämlich alles besser.
    Als Großväter sollten wir deshalb ruhig mal unsere Stimmen erheben, unsere Erfahrung einbringen, unsere Geduld und vielleicht auch unsere Weisheit. Wir sollten nicht nur Abhol-Opas sein und jedes Jahr beim Martinsumzug mit um die Häuser trotteln. Bei einem Großvatertag in der Aachener Krabbelstube von Max durfte ich einmal mit ihm gemeinsam ein paar Crêpes backen. Mehr Engagement war von einem Großvater nicht erwünscht.
    Nach der Übersiedlung der Familie nach Frankfurt ist Max nun ein begeisterter Absolvent des Epiphania-Kindergartens, in dem jegliches Engagement von Eltern und Großeltern gerne gesehen wird. So trat ich bei den verschiedenen Altersgruppen schon mal als »Heiliger Nikolaus« auf und entdeckte im Sommer mit den Kindern das Königsbrünnchen im Stadtwald, eine kaum bekannte Quelle an einem fast magischen Ort.
    Leo besuchte fünf Jahre den Kindergarten. In der Adventszeit tauchte ich regelmäßig dort auf, um den Mädchen und Jungen die Geschichte »St. Nikolaus in Not« vorzulesen, jedes Mal mit Erfolg. Am Ende kannten sie die Namen der Protagonisten und zitierten auch schon mal ganze Passagen aus dieser wunderbaren Erzählung von Felix Timmermanns. Auch zu den Weihnachtsmärchen im Volkstheater begleitete ich die Rangen. Und bevor wir das Goethehaus besuchten, habe ich mein junges Publikum mit der Lebenswelt des kleinen Johann
Wolfgang vertraut gemacht. Gegen einen gemeinsamen Besuch des Kommunikationsmuseums hatten Leo und seine Kumpel nie etwas einzuwenden. Besonders die Experimente mit der Rohrpost absolvierten sie mit Vergnügen.
    Noah* zum Beispiel, der beste Freund aus Leos Kindergarten-Tagen, wächst ohne Vater auf. Er sagt es nicht, doch fehlt ihm ganz klar eine männliche Bezugsperson. Auffallend, wie der ansonsten eher zurückhaltende Junge meine Nähe suchte. Einmal begrüßte er mich gar mit den Worten: »Ich liebe dich!«
    Die Aktivitäten von Großvätern sind gefragter denn je, zumal es in den meisten Krabbelstuben an männlichem Personal mangelt.
    Erfreulich ist, dass immer mehr Männer morgens nicht in ein Büro oder in eine Werkstatt gehen, sondern in die Krabbelstube oder in den Hort. Leben mit Kindern ist für sie keine Frauensache, es ist ihr Beruf. Mutig sind sie aus den Rollenklischees ausgebrochen, eine Vorhut, die bestimmt viele ihrer Geschlechtsgenossen animieren wird, es ihnen gleichzutun.
    Tuncay B. beispielsweise – 30 Jahre alt – ist Erzieher in einer privaten Krabbelgruppe in Frankfurt. Wenn er aus dem Fenster des Gruppenraums auf die Straße schaut, sieht er Geschäftsleute in Nadelstreifen, möglicherweise die Väter seiner Schützlinge. Selbige schlafen gerade auf ein paar Matratzen, die jüngeren in Gitterbetten. Ihre Eltern waren anfänglich nicht ohne Vorbehalte gegenüber dem Erzieher aus der Türkei. Ein paar Wochen später dann kamen sie zu ihm und fragten nach den Texten von Liedern, die er mit den Kindern gesungen hatte, wollten Kopien und lobten ihn ob seines Engagements.

    Auch Carsten W. – 46 Jahre alt – ist Erzieher in einer Städtischen Kindertagesstätte in Frankfurt. Eigentlich ist er Anlagenmechaniker, doch aus gesundheitlichen Gründen hat er sich zum Erzieher umschulen lassen. Die Eltern seiner Schutzbefohlenen kommen aus Afghanistan, Kroatien, Serbien, Marokko und der Türkei. Es kostet Kraft, nicht für die eigene Karriere einzutreten, sondern für die Kinder der anderen. Ich höre immer wieder von solchen Biografien und nehme beglückt zur Kenntnis, dass unsere
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