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Wir Kinder von Bergen-Belsen

Wir Kinder von Bergen-Belsen

Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen
Autoren: Hetty E. Verolme
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alle noch verbliebenen Wertgegenstände übergeben«, sagte Mutter. »Es ist besser, sie sind bei ihnen als bei Puls.«
    »Wir sollten uns lieber fertig machen«, sagte Papa. »Hetty, wenn du angezogen bist, möchte ich mit dir und den Jungen sprechen, bevor wir gehen.«
    Ich zog mich an, dann holte ich Max und Jackie und wir gingen zum Zimmer unserer Eltern. In der Diele mussten wir an dem deutschen Soldaten vorbei, dem inzwischen vergangen war, sein Bajonett zu halten. Es lehnte neben ihm an der Wand.
    Papa saß auf dem Bettrand. Er sah sehr erregt aus. »Kinder, es tut mir sehr Leid, dass dies passiert ist«, sagte er. »Ich habe alles getan, um zu verhindern, dass man uns nach Deutschland bringt. Ich habe hart für jeden von euch gearbeitet, um euch viel von dem zu bieten, was ich als Kind nie hatte. Ich habe fast alles Geld, was ich hatte, der SS gegeben, um euch zu retten. Es tut mir sehr, sehr Leid.«
    Er hatte angefangen zu weinen, und wir versuchten, ihn davon zu überzeugen, dass es nicht seine Schuld war.
    Er beruhigte uns und sagte: »Wir wissen nicht, was passieren wird, aber ihr müsst mir fest versprechen, dass ihr, wenn ihr diesen schrecklichen Krieg überlebt, alles tut, um nach Amsterdam zurückzukommen, zur Familie Pomstra, die um die Ecke wohnt. Sie haben ein paar Aktien und einige Juwelen, die ich ihnen zum Aufbewahren gegeben habe, für die Zeit nach dem Krieg. Sie haben mir versprochen, für euch zu sorgen, selbst wenn eure Mutter oder ich nicht zurückkommen. Das Geld, die Aktien und die Juwelen werden ausreichen, um für euren Lebensunterhalt und eure Ausbildung zu bezahlen. Also, Kinder, habt ihr das richtig verstanden?«
    Wir nickten alle drei.
    »Kommt her«, sagte Papa. Er hielt uns fest, als wolle er uns vor allem, was kommen würde, warnen. Dabei wiederholte er immer wieder: »Es tut mir Leid, es tut mir Leid.«
    Mama kam mit Sonja ins Zimmer. Sie hatten sich um das Gepäck gekümmert. Dann legte sie die Hand auf Vaters Schulter, sie versuchte, ihn zu beruhigen. »Komm«, sagte sie. »Der SS-Offizier wird gleich wieder da sein, komm jetzt!« Sonja hatte noch etwas Kaffee gemacht. Widerstrebend ließ Vater uns los und wir folgten Mutter in die Küche.
    Um halb sechs kam der SS-Offizier zurück. Aus der Stunde waren zweieinhalb geworden.
    »Seid ihr fertig?«, schrie er.
    »Ja«, sagte mein Vater.
    »Sie gehen voraus und wir hinterher!«, bellte der SS-Offizier den Soldaten an.
    Meine Mutter war die Letzte, die unsere Wohnung verließ, zusammen mit dem SS-Offizier. Sie verschloss die Eingangstür. Niemand sprach ein Wort, als wir die Treppe hinuntergingen. Unten befahl uns der SS-Offizier, in der Vorhalle zu warten. Er sagte, er müsse noch ein paar andere Leute aus der Nähe einsammeln. Wieder ließ er den Soldaten zu unserer Bewachung zurück. Es war ein wunderschöner Morgen, die Sonne schien und der Platz war verlassen — außer den Lastwagen, die draußen warteten, um uns zum Bahnhof zu bringen.
    »Psst.«
    Mama und ich hörten den leisen Ton und drehten uns um, um zu sehen, woher das Geräusch kam. Die Tür der Nachbarwohnung war aufgegangen, unser Nachbar lugte heraus. Meine Mutter und ich gingen näher zur Tür.
    »Was passiert hier?«, fragte er. »Sind diese Kerle gekommen, um Sie abzuholen?«
    Mutter nickte und wühlte in ihrer Handtasche. Sie nahm unsere Wohnungsschlüssel heraus und händigte sie dem Nachbarn aus.
    »Hier«, sagte sie. »Wenn wir weg sind, gehen Sie bitte hinein und helfen Sie Moos, der sich oben versteckt. Und nehmen Sie sich mit, was immer Sie möchten.«
    »Natürlich«, sagte unser Nachbar. »Überlassen Sie es ruhig mir. Und passen Sie gut auf sich auf, viel Glück. Hoffen wir, dass dieser verdammte Krieg bald vorbei ist. Alles Gute.« Leise schloss er die Tür.
    Der SS-Mann kam mit einer anderen Familie zurück.
    »Los!«, befahl er und wir gingen zu den Lastwagen.
    Wie seltsam der Platz aussieht, dachte ich, als wir die Straße überquerten. Es war nicht mehr derselbe Platz, den ich auf dem Weg zur Schule und zurück schon tausendmal überquert hatte. Und dann fragte ich mich, ob je wieder irgendetwas dasselbe sein würde.
    Wir kamen an den geparkten Lastwagen an und erhielten den Befehl, schnell aufzusteigen. Das taten wir. Als wir mit unserem Bewacher hinten auf der Ladefläche standen, konnten wir hören, wie der SS-Offizier in der Kabine mit dem Fahrer lachte und Witze machte. Ja, die hatten gut lachen! Die beiden kleinen Kinder der anderen
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