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Wir - die Unsterblichen

Wir - die Unsterblichen

Titel: Wir - die Unsterblichen
Autoren: Clark Darlton
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das andere Mal nach der Urteilsverkündung. Jetzt, das dritte Mal, war der Anlaß vielleicht ein erfreulicherer.
    Man bot ihm eine Zigarette an, und dann holte der Direktor sogar eine Flasche aus dem Bücherschrank. Bernstein und Dr. Black saßen an einem zweiten Tisch, vor sich einen Haufen Akten und Bücher. Montelli hatte in dem Besuchersessel Platz genommen. Es war zehn Uhr, vier Stunden nach seiner geplanten Hinrichtung.
    »Fangen Sie an, meine Herren«, sagte er leutselig. Der Gedanke an seine vorerst noch nicht verlorenen 200 000 Dollar stimmte ihn fröhlich, obwohl er noch nicht wußte, was er in den nächsten Minuten zu hören bekam. »Ich bin ganz Ohr.«
    Der Direktor nickte Dr. Bernstein zu.
    Der Herr mit den grauen Haaren legte die Hand auf einige Schriftstücke.
    »Wie Sie wissen, Mr. Montelli, wurden im vergangenen Jahr erfolgreiche Herztransplantationen vorgenommen. Die meisten der Patienten überlebten die Operation und erfreuen sich sogar noch bester Gesundheit. Sie werde auch wissen, daß die Spender der notwendigen Herzen meist Opfer von Unfällen waren. Die Mediziner waren also stets auf den Zufall angewiesen, und der Hintergrund solcher Experimente darf auch von mir ruhig als äußerst makaber bezeichnet werden.«
    »Wollen Sie mein Herz haben?« fragte Montelli, nicht gerade beruhigt.
    Dr. Bernstein schüttelte den Kopf.
    »Nein, keine Sorge. Wir wollen auf der einen Seite weniger, auf der anderen aber eigentlich alles. Doch lassen Sie mich weiter berichten, damit Sie auch die Hintergründe kennenlernen. Es wurden Transplantationen anderer Organe durchgeführt, aber viele mißlangen, weil der Körper des Menschen sich gegen Fremdorgane wehrt. Das brachte meine Freunde Dr. Black und Dr. Kolov auf den Gedanken, es einmal ganz anders zu versuchen. Wir gingen davon aus, daß ein vertauschtes Herz oder eine umgepflanzte Niere zwar die Lebenserwartung eines Menschen erhöhen könnte, aber nur, was die Gesundheit dieser beiden Organe angeht. Das wirkliche Problem solcher Transplantationen liegt doch ganz woanders. Wenn schon ein Austausch, dann doch der Austausch sämtlicher Organe, nicht wahr?«
    Montelli nickte verständnislos.
    »Ja, natürlich, das begreife ich. Aber wäre das nicht zu kompliziert? Es gelingt ja kaum bei einem Organ. Und da wollen Sie alle …«
    »Es ist längst nicht so kompliziert, wie es sich anhört«, sagte Dr. Bernstein ruhig. »Bekanntlich gehören ja zu den Organen auch die entsprechenden Körper. Alle Organe sind in dem dazugehörigen Körper vereinigt. Wenn ich sie also einem anderen Individuum geben möchte, nehme ich doch ganz einfach gleich den Körper. Das ist einfacher, ungefährlicher und völlig ohne Risiko.«
    »Das verstehe ich nicht«, unterbrach ihn Montelli befremdet. »Sie können doch nicht einen Körper gegen einen Körper austauschen. Wie soll das vor sich gehen?«
    »Doch, ich tausche Körper gegen Körper aus. Ich muß allerdings zugeben, daß das in der medizinischen und psychologischen Praxis anders aussieht. Scheinbar wird im eigentlichen Experiment Gehirn gegen Gehirn ausgetauscht.«
    Eine Weile herrschte Schweigen. Montelli versuchte, den Sinn der Worte Dr. Bernsteins zu begreifen. Der Arzt half ihm:
    »Es ist so, Mr. Montelli: Ihr Körper ist jung, aber er wurde dazu verurteilt, heute früh zu sterben. Mein Körper ist alt, ihn hat die Natur zum baldigen Tod verurteilt. Er kann aber auch noch einige Jahrzehnte leben – und das würde dann Ihr Risiko sein, falls wir zu einer Einigung gelangen.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Warten Sie ab, Mr. Montelli. Sie haben einen Körper, aber was wäre dieser Körper ohne Ihr Gehirn, ohne Ihr Bewußtsein, Ihren Charakter und ohne Ihren Erinnerungsspeicher? Ihm fehlte das, was wir als Seele bezeichnen. Wenn Sie und ich unser Gehirn austauschen, wird Ihr junger und gesunder Körper mit meinem Bewußtsein weiterleben. Umgekehrt findet Ihr Bewußtsein eine neue Heimat in meinem Körper, dessen natürliche Lebenserwartung vielleicht noch zehn oder fünfzehn Jahre beträgt. Das ist immerhin noch besser als vierundzwanzig Stunden oder weniger.«
    Montelli nahm sein Glas und leerte es mit einem Zug. »Mit anderen Worten«, sagte er heiser, »ich bekomme Ihr Gehirn?«
    Dr. Bernstein lächelte.
    »Ja, so könnte man es auch ausdrücken. Und ich bekomme das Ihre.«
    In Montellis Gesichtsausdruck trat plötzlich ein nachdenklicher Zug.
    »Damit erhalten Sie auch meine Erinnerung, nicht wahr?« Er lächelte
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