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Wintersturm

Titel: Wintersturm
Autoren: Mary Higgins Clark
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haben Sie denn diese Pläne ausgegraben?«
    »Sie waren bei den Akten in der Bibliothek. Sie wissen ja, daß das Haus sechzehnhundertneunzig begonnen wurde. Es würde ein herrliches Restaurant abgeben. Wenn jemand bereit ist, Geld für die Renovierung auszugeben, kann es ein Schmuckstück werden. Die Lage am Wasser ist einzigartig.«
    »Mr. Kragopoulos und seine Frau haben schon eine Reihe von Restaurants eingerichtet und wieder verkauft, und ich denke, sie werden kaum etwas dagegen haben, ihre Dollars anzulegen, damit alles so wird, wie es sein sollte.«
    »Ich habe noch nie einen Griechen kennengelernt, der nicht imstande gewesen wäre, ein Restaurant in Schwung zu bringen«, bemerkte Dorothy, als sie die Akte schloß.
    »Und alle Engländer sind schwul, und kein Deutscher hat Humor, und die meisten Puertoricaner – ich meine Spics –
    leben von der Wohlfahrt… Mein Gott, wie ist es mir zuwider, jemandem ein Etikett anzuhängen!« Ray zog seine Pfeife aus der Brusttasche und klemmte sie sich zwischen die Zähne.
    »Wie bitte?« Dorothy blickte bestürzt zu ihm auf. »Ich wollte bestimmt niemandem ein Etikett anhängen – das heißt, ich meine, vielleicht habe ich es getan, aber nicht so, wie Sie es aufgefaßt haben.« Sie wandte ihm den Rücken zu und stellte die Akte weg, während Ray in sein eigenes Büro ging und die Tür hinter sich schloß.
    Er hatte sie gekränkt. Ohne Gefühl und ohne Grund. Was zum Teufel war nur mit ihm los? Dorothy war der anständigste, gerechteste und unvoreingenommenste Mensch, den er kannte.
    Wie gemein, so etwas zu ihr zu sagen. Er holte tief Luft, langte nach der Tabakdose auf dem Tisch und stopfte seine Pfeife.
    Eine Viertelstunde lang paffte er nachdenklich vor sich hin, dann nahm er den Hörer auf und wählte Dorothys Nummer.
    »Ja.« Ihre Stimme klang förmlich, als sie den Hörer aufnahm.
    »Sind die Mädchen schon da?«
    »Ja.«
    »Der Kaffee schon fertig?«
    »Ja.« Dorothy erkundigte sich nicht, ob er schon welchen haben wollte.
    »Könnten Sie mit Ihrem Kaffee zu mir herüberkommen und mir auch eine Tasse mitbringen? Und bitten Sie die Mädchen, eine Viertelstunde lang keine Anrufe durchzustellen.«

    »In Ordnung.« Dorothy legte auf.
    Ray stand auf, um ihr die Tür zu öffnen, und als sie mit den dampfenden Tassen hereinkam, schloß er sie leise wieder.
    »Frieden«, sagte er zerknirscht. »Es tut mir schrecklich leid.«
    »Das glaube ich«, sagte Dorothy, »ist schon gut. Aber was ist bloß los?«
    »Bitte setzen Sie sich doch.« Ray deutete auf den rostfarbenen Ledersessel an seinem Schreibtisch. Er nahm seinen Kaffee zum Fenster hinüber und starrte trübsinnig in die sich verdüsternde Landschaft hinaus.
    »Hätten Sie Lust, heute abend zum Abendessen zu uns zu kommen?« fragte er. »Wir wollen Nancys Geburtstag feiern.«
    Er hörte, wie sie tief Luft holte, und fuhr herum. »Meinen Sie, das ist ein Fehler?«
    Dorothy war die einzige am Kap, die alles über Nancy wußte. Nancy hatte es ihr selbst erzählt und sie um Rat gefragt, ehe sie einwilligte, Ray zu heiraten.
    Als Dorothy antwortete, blickte sie nachdenklich vor sich hin, und ihre Stimme klang zögernd. »Ich weiß es nicht genau, Ray. Welche Überlegung steckt hinter dieser Feier?«
    »Es ist die Überlegung, daß man nicht so tun kann, als hätte Nancy nie Geburtstag! Natürlich ist es mehr als nur das. Es bedeutet auch, daß Nancy mit ihrer Vergangenheit brechen muß, daß sie aufhören muß, sich zu verstecken.«
    »Kann sie denn mit ihrer Vergangenheit brechen? Kann sie denn überhaupt aufhören, sich zu verstecken, wenn ihr die Angst vor einem Mordprozeß dauernd im Nacken sitzt?«
    »Aber das ist es doch gerade. Die Angst davor. Dorothy, bedenken Sie doch, daß man von dem Kerl, der gegen sie ausgesagt hat, seit über sechs Jahren nichts mehr gesehen oder gehört hat! Weiß der Himmel, wo der steckt, ob er überhaupt noch lebt. Nach allem, was wir wissen, ist er heimlich und unter einem anderen Namen ins Land zurückgekehrt. Er ist genauso daran interessiert wie Nancy, daß die ganze Geschichte nicht wieder aufgerollt wird. Vergessen Sie nicht, daß er offiziell ein Fahnenflüchtiger ist. Und wenn er geschnappt wird, muß er schon mit einer ziemlich saftigen Strafe rechnen.«
    »Das ist vielleicht richtig«, stimmte Dorothy zu.
    »Das ist richtig. Und gehen wir noch einen Schritt weiter.
    Einverstanden? Was denken die Leute hier in der Stadt von Nancy – und damit meine ich auch die Mädchen hier in
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