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Winters Herz: Roman (German Edition)

Winters Herz: Roman (German Edition)

Titel: Winters Herz: Roman (German Edition)
Autoren: Alison Littlewood
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machen.« Er sah sich nach Cass’ Vater um und rieb sich das Kinn, wobei seine Finger hörbar über Bartstoppeln kratzten. »Ich denke, dass Sie ihr trauen können. Sie trauen ihr doch, nicht wahr?« Sein Blick streifte Cass, die rasch wegsah.
    Remick hüstelte, als sei er über sich selbst irritiert. Er wühlte in seiner Jackentasche und zog einen langen, schlanken Federhalter mit grausam scharfer Spitze hervor. »Bring mir das Messer, Ben. Es kann anscheinend doch einen weiteren Zweck erfüllen.«
    Ben gehorchte, und als Remick die Hand ausstreckte, legte er das Messer hinein und wich zurück.
    Cass schüttelte den Kopf, aber ihr Vater achtete nicht darauf, sondern schnappte sich das Messer. Er kehrte ihnen allen den Rücken zu und entfernte sich einige Schritte weit. Er starrte über die Dächer von Darnshaw hinaus, die wieder dunkel waren, weil der Schnee geschmolzen war. Er drehte den Kopf, sah zu den weißen Gestalten in der Nähe hinüber.
    Aus unbestimmbar weiter Ferne schien ein dumpfer Schmerzenslaut an Cass’ Ohr zu dringen. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schwieg dann aber doch und beobachtete nur, wie ihr Vater sich ihnen mit schwachem Lächeln auf den Lippen zuwandte. Er sah Cass nicht an. »Nimm dich seiner an«, sagte er und streckte die Hand aus.
    Cass wurde bewusst, dass sie bei jedem Atemzug Remicks ein pfeifendes Geräusch hören konnte. Dampf stieg zum Himmel auf. Das blassblaue Gewölbe über ihnen sah unmöglich fern und unmöglich nah aus; sie hätte die Hand ausstrecken und es berühren können. Der Hügel unter ihren Füßen schwankte. Sie schloss die Augen. Sie konnte nicht sprechen. Daran war Remick schuld, dessen Einfluss trotz des räumlichen Abstands zwischen ihnen unvermindert stark war. Ihre Hand   – die mit Remicks Zeichen   – war krampfhaft geballt, sodass die Fingernägel sich ins Fleisch bohrten. Sie erinnerte sich daran, wie ihr Vater auf sie herabgeblickt hatte.
    Was hatte er zu ihr gesagt? Ich hätte dich besser wappnen müssen. Ich hab’s versucht, wirklich versucht.
    Und das hatte er getan. Er hatte sein Bestes getan.
    Sie trauen ihr doch, nicht wahr?
    »Alles eine Frage des Glaubens«, sagte Remick laut. Cass sah zu ihm hinüber. Seine Augen blitzten, verspotteten ihren Vater, der jetzt mit gesenktem Kopf dastand und abwechselnd das Messer in einer Hand und die geöffnete andere Hand anstarrte.
    »Kommen Sie, Sie sind doch stark im Glauben, nicht wahr?« Remicks Stimme wurde leiser, gemeiner. »Ich habe Sie beobachtet«, sagte er, »seit Sie sie gezwungen haben niederzuknien, um sie ihm zu weihen . Sie glauben, ein Leben weihen zu können, was? Sie bilden sich ein, sie von mir fernhalten zu können?«
    Der Blick ihres Vaters ging kurz zu Cass hinüber.
    »Ich bin ein großer Freund freiwilliger Entscheidungen«, sagte Remick. Er warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Entscheiden Sie sich also. Lassen Sie uns alle nicht länger warten.«
    Sie standen im Kreis   – die Jungen, Sally, Cass, Ben, der sich jetzt seinem Vater angeschlossen hatte, die Hexensteine und die schneebedeckten weißen Gestalten   – und beobachteten die beiden.
    »Ihr seid alle frei!«, rief Remick laut, und seine Stimme hallte von den Hügeln wider. »Eure einzigen Fesseln sind die, die ihr euch aus freien Stücken anlegt. Seid frei! Folgt mir!« Sein Blick war offen und ehrlich, sein Gesicht glänzte feucht. Cass stellte erstaunt fest, dass er weinte. »Ich liebe euch«, sagte er, »und eure herrliche Freiheit. Ihr ahnt gar nicht wie sehr.«
    Pete, der den Kopf wie im Traum schüttelte, trat vor. Ben umklammerte seine Beine, um ihn aufzuhalten, und Pete legte dem Jungen eine Hand auf den Kopf. Jessica setzte sich auf dem Opferstein auf; dabei rutschte die Kapuze nach hinten, und ihr Haar bedeckte ihr Gesicht. Nirgends ein Laut, überall nur die weiße Stille.
    Cass’ Vater hob das Messer, setzte die Klinge an seine Handfläche. Er beobachtete sie genau, als fürchte er, sie könnte sich selbstständig machen. Seine Schultern zuckten. Er sah zu Remick auf, und der Glanz seiner Augen erlosch.
    Remick lächelte, während ihm weiter Tränen übers Gesicht liefen. »Willkommen«, flüsterte er, »alter Freund.«
    Eine undeutlich wahrnehmbare Gestalt schoss an Cass vorbei, und sie fuhr zurück, rutschte aus und ging zu Boden. Petestürzte sich auf Remick, und der kleinere Mann hatte ihn nicht einmal kommen gesehen; er taumelte, und Pete begrub ihn unter sich, wobei er die Finger so
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