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Winterkill

Winterkill

Titel: Winterkill
Autoren: Ueberreuter
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kann«, sagte sie, während sie ihre Unterlagen im Schreibtisch verstaute. Um ihre Lippen spielte ein spöttisches Lächeln. »Nur gut, dass der Wendigo noch nie in einer Stadt aufgetaucht ist. Er mag keine Städte.«
    »Na, da bin ich aber froh«, freute sich Sophie und räumte ebenfalls zusammen. »Gehen wir noch zu Starbucks, bevor ich mich auf der Couch räkele und Cary Grant anschmachte?«
    Sarah schlüpfte in ihren schwarzen Anorak und zog die violette Wollmütze über ihre Haare. »Heute nicht, Sophie. Ich hab Carol versprochen, mit ihr ins Kino zu gehen.« Ihr Blick wanderte zum Fenster und blieb an einem dunklen Schatten hängen, der wie eine bedrohliche Gewitterwolke am Museum vorbeizog und für einen Augenblick den trüben Lichtschein der Straßenlampen verdunkelte. Doch so schnell er aufgetaucht war, verschwand er auch wieder.
    »Sarah! Was ist denn los?«, fragte Sophie besorgt. »Du bist ja ganz blass!«
    Sarah zwang sich zu einem Lächeln. »Alles okay«, erwiderte sie rasch. »Ich dachte nur …« Sie winkte ab. »Ist ja auch egal. Wir sehen uns morgen.«
    Sie verließ die Ausstellungshalle und stieg die Treppen zum Ausgang hinab.
    Sarah war froh, dass sie Stiefel mit breiten Absätzen trug, als sie die riesige Eingangshalle durchquerte. Das Geräusch, das spitze Absätze auf dem gefliesten Boden verursachten, empfand sie als unangenehm laut und aufdringlich.
    »Schon wieder Überstunden, Miss Anderson?«, fragte der uniformierte Sicherheitsbeamte vor dem Skelett der riesigen Dinosaurier-Dame, die auf den Plakaten als »Sue« angekündigt wurde.
    »Die neue Ausstellung, George«, antwortete sie. Der Small Talk gehörte zu ihrem täglichen Ritual. »Sie glauben gar nicht, wie viel Arbeit wir damit haben.«
    Er lächelte. »Immer noch besser, als bei dem Wetter im Verkehr zu stecken.«
    Sie verabschiedete sich von ihm und trat ins Freie. Sie kniff die Augen gegen den Schnee zusammen, lief die Stufen zur Haltestelle hinunter und nickte dankbar, als der Busfahrer ihr öffnete. »Scheußliches Wetter heute«, bemerkte er, »da weiß man doch gleich wieder, warum man Chicago ›Windy City‹ nennt.«
    »Da haben Sie recht«, erwiderte sie müde. Sie setzte sich auf die letzte Bank, um nicht weiterem Small Talk ausgesetzt zu sein, und lehnte ihren Kopf gegen das kalte Fenster. Nach einem anstrengenden Tag wie heute brauchte sie ein paar Minuten, um sich zu erholen. Der Museumsjob war anstrengend und erforderte ihren vollen Einsatz, wenn sie wie Sophie einen guten Posten ergattern wollte.
    Eigentlich war sie sogar zu müde, um mit Carol ins Kino zu gehen, doch es hatte eine ganze Weile gedauert, bis ihre Mitbewohnerin endlich zugänglicher geworden war, und sie wollte sie nicht zurückstoßen. Seitdem sie sich die Wohnung teilten, hatte sich die drei Jahre jüngere Studentin stets ein wenig reserviert verhalten, selbst auf der Party, die sie mit ihren Nachbarn gefeiert hatten.
    Heute wollten sie zum ersten Mal gemeinsam ausgehen, nach dem Kino vielleicht sogar in einem der neuen Clubs an der Rush/Division vorbeischauen. Es war lange her, dass sie einen Freund gehabt hatte, und es konnte nichts schaden, dem Glück ein wenig auf die Sprünge zu helfen.
    Ein dunkler Schatten strich an den Fenstern des Busses entlang. Sie blickte erschrocken hoch und erkannte, dass der Bus losgefahren war, und die flackernden Schatten vomLichtschein der vorbeihuschenden Straßenlampen kamen. Durch den Flockenwirbel nahm sie die erleuchtete Skyline, die sonst von der Zufahrtsstraße aus deutlich zu erkennen war, nur verschwommen wahr. Das obere Drittel des Willis Tower war überhaupt nicht zu sehen, als wäre mit dem Schnee auch Nebel gekommen.
    An der Roosevelt Street, wo sie sonst in die Hochbahn umstieg, blieb sie sitzen. Sie hatte sich mit Carol in einem Starbucks an der Michigan Avenue verabredet, nur einen halben Block von dem Kino entfernt, in dem sie sich den neuen Film mit Brad Pitt ansehen wollten. Carol hatte den Film ausgesucht.
    Sie beide hatten sich über eine Anzeige kennengelernt. »Suche Mitbewohnerin« hatte Sarah in einem Online-Forum inseriert. Carol hatte sich als eine der Ersten gemeldet, und weil sie einen stillen, aber sympathischen Eindruck gemacht hatte und zudem noch Geschichte am College studierte, waren sie sich rasch einig geworden. Sarah fand es lediglich seltsam, dass die wenigen Bücher ihrer Mitbewohnerin alle brandneu aussahen und sie sehr ungern über ihr Studium sprach. Sie war keine besonders
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