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Winter der Zärtlichkeit

Winter der Zärtlichkeit

Titel: Winter der Zärtlichkeit
Autoren: Linda Miller
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man kein Cowboy ist?“
     

2. KAPITEL
    Der alte Kombi schlitterte in den Hof - halb gefrorener Kies spritzte vor den abgefahrenen Reifen auf - und kam abrupt zum Stehen. Travis Reid sah auf. Er stand hinter dem Pferdeanhänger von Jesse McKettricks verschmutztem schwarzen Truck und schob sich den Hut auf den Hinterkopf. Dann wartete er grinsend darauf, dass irgendein Teil von der alten Karre abfiel. Aber es gab noch Zeichen und Wunder.
    Gleich darauf tauchte Jesse mit dem alten Baldy am Halfter hinter dem Trailer auf. „Wer ist das?“, fragte er und blinzelte in die späte Winternachmittagssonne.
    Aber Travis hatte kaum einen Blick für ihn übrig. „Eine lange verloren geglaubte Verwandte von dir, wenn ich mich nicht täusche“, erwiderte er leichthin.
    Der Kombi spuckte noch etwas Qualm, bevor er abstarb. Travis vermutete, dass das normal war. Er beobachtete interessiert, wie eine gut aussehende Frau vom Fahrersitz kletterte, das alte Auto einmal kurz musterte und der Fahrertür einen festen Tritt mit dem Fuß versetzte.
    Sie war eine McKettrick, kein Zweifel.
    Jesse ließ Baldy stehen, sprang vom Trailer und senkte die Rampe auf den Boden. „Megs Halbschwester?“, fragte er. „Die in Mexiko bei ihrem verrückten, betrunkenen Vater aufgewachsen ist?“
    „Glaub schon“, nickte Travis, der aus Megs E-Mails einiges über Sierra erfahren hatte. Doch keiner aus der Familie kannte Sierra gut, nicht einmal ihre Mutter Eve. Insofern waren die Informationen äußerst spärlich. Sie hatte einen siebenjährigen Sohn - der gerade aus dem Auto stieg - und in den letzten Jahren in Florida Cocktails serviert. Das war in etwa alles, was Travis von ihr wusste. Als Megs Verwalter und Pferdetrainer, und nicht zuletzt als ihr guter alter Freund, hatte Travis für Sierra die Vorratsschränke und den Kühlschrank aufgefüllt und dafür gesorgt, dass die Heizung lief. Außerdem hatte er ihren Chevrolet Blazer jeden Tag gestartet, um sicherzugehen, dass er ansprang.
    Nach dem Aussehen des Kombis zu urteilen, war es eine gute Idee gewesen, Megs Anweisungen zu folgen.
    „Wirst du mir jetzt mit diesem Pferd helfen“, frage Jesse gereizt, „oder willst du nur weiter dastehen und glotzen?“
    „Im Augenblick“, gestand er, „würde ich lieber glotzen.“
    Sierra McKettrick war groß und schlank, mit kurzem glänzenden Haar, dessen Farbe an ein edles kastanienbraunes Pferd erinnerte. Sie hatte große und wahrscheinlich blaue Augen, doch noch war sie nicht nah genug, um das genau zu erkennen.
    Fluchend kletterte Jesse auf die Rampe zurück, wobei er möglichst viel Lärm machte. Wie fast alle McKettricks verstand er es, seinen Willen durchzusetzen. Zwar war er Frauen gegenüber gewöhnlich äußerst charmant, doch bei Sierra schien er das für überflüssig zu halten. Schließlich waren sie miteinander verwandt - da lohnte sich der Aufwand vermutlich nicht.
    Travis jedoch ging einen Schritt auf die Frau und den Jungen zu, der ihn mit offenem Mund anstarrte.
    „Ist das Megs Haus?“, fragte Sierra.
    „Ja“, erwiderte Travis, streckte ihr die Hand entgegen, zog sie schnell wieder zurück, um den Arbeitshandschuh auszuziehen, dann hielt er sie ihr erneut hin. „Travis Reid.“
    „Sierra Bres-McKettrick“, antwortete sie. Ihr Händedruck war fest. Und ihre Augen waren eindeutig blau. Die Art von Blau, das sich einem Mann direkt ins Herz bohrte. Sie lächelte, aber zögernd. Irgendwann im Laufe ihres Lebens hatte sie offenbar gelernt, vorsichtig mit ihrem Lächeln umzugehen. „Das ist mein Sohn, Liam.“
    „Tag“, sagte Liam und straffte die schmalen Schultern.
    Travis grinste. „Tag.“ Von Meg wusste er, dass der Junge gesundheitliche Probleme hatte, davon war aber nichts zu erkennen.
    „Das ist ja mal ein hässliches Pferd.“ Liam zeigte auf den Anhänger.
    Travis drehte sich um. Mitten auf der Rampe stand Baldy, ein graues Vieh mit klapprigen, gespreizten Beinen, roten Augen und kahlen, grauen Stellen auf dem glanzlosen Fell.
    „Kann man wohl sagen“, stimmte Travis zu und blickte Jesse finster an, der ihm das Tier aufgehalst hatte. Es sah ihm ähnlich, in letzter Sekunde eine dramatische Rettungsaktion zu starten, um dann die Umsetzung jemand anderem zu überlassen.
    Als Jesse grinste, stieg eine Art Beschützerinstinkt in Travis auf. Am liebsten hätte er sich zwischen Sierra und seinen ältesten Freund gestellt. Das brachte ihn irgendwie ziemlich durcheinander, er hatte fast das Gefühl, in einen Hinterhalt
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