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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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neugeborenen Knaben in Pflege genommen, um den sie sich kümmern musste und der ihre Milch brauchte. Zena flößte Faith zwischendurch löffelweise ein Gemisch aus Ziegen- und Kokosmilch ein, wovon das Kind prächtig gedieh. Bald würde sie die Dienste der Amme überhaupt nicht mehr benötigen. Auf diesen Tag freute Zena sich bereits, denn dann würde sie sich wieder ganz allein um das Kind kümmern können.
    Die Haut der Kleinen war immer noch weiß und zart. Zena gab sorgfältig acht, dass sie die meiste Zeit im Schatten blieb und in der Sonne stets ausreichend bedeckt war. Die französische Herrin hatte eine winzige Haube und ein Hemdchen für Faith genäht. Manchmal ließ sie sich das Kind bringen, hielt es eine Weile auf den Knien und seufzte dabei, während Zena stumm in der Ecke hockte und wartete, bis sie Faith wieder mit zu der Hütte nehmen durfte, die sie sich mit Deirdre teilte.
    Mylady Lizzie holte sich das Kind oft. Sie hatte es sogar schon mit zum Meer genommen, das sie besonders liebte. Vorsichtig hatte sie Faith in die seichten Wellen gehalten und sich mächtig gefreut, als die Kleine begeistert mit ihren Händchen ins Wasser gepatscht hatte. Master Duncan war auch dabei gewesen und hatte zugesehen, jedoch mit unverhohlenen Bedenken. Zena wusste, dass seine Sorgen grundlos waren. Genau wie Johnny würde Faith bald schwimmen wie ein Fisch.
    Zena hob den Kopf. Sie wusste nicht, was sie da gehört hatte, aber es war ein Geräusch, das nicht zu den übrigen passte. In ihrem Nacken richteten sich winzige Haare auf, sie hielt die Luft an, um besser horchen zu können. Seit der Seemann sie vergewaltigt hatte, war ihr Gespür für alles Verdächtige geschärft. Sie war seitdem immer auf der Hut. Feinde kamen schnell und lautlos. Nach dem Gemetzel in ihrem Dorf war sie noch vorsichtiger geworden, lauschte häufig nach allen Seiten und sah sich jedes Mal genau um, bevor sie mit Faith den Schutz der Hütte verließ.
    Wieder hörte sie es, diesmal konnte sie es einordnen: Ein weit entfernter Schrei. Es hätte ein Sklave oben in den Feldern sein können, der nach einem der anderen rief. Aber Zena spürte, dass etwas nicht stimmte. Sie legte Faith in ihren Hammock und versetzte ihn in schaukelnde Bewegung. Mit einer raschen Bewegung zog sie ihren Dolch aus dem Sack, in dem sie ihre wenigen Habseligkeiten verwahrte. Lautlos bezog sie Aufstellung neben der Tür. Vorsichtig spähte sie hinaus– und prallte im nächsten Augenblick zurück, denn sie sah eine Reihe geduckter Gestalten aus dem Tabakfeld kommen. Indianer! Sie waren zu viert und näherten sich rasch. Zwei schwarze Sklaven arbeiteten am Rand des Feldes, sie stapelten Tabakblätter. Zena holte Luft, um ihnen eine Warnung zuzurufen, doch dann blieb sie stumm. Sie wollte keine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Außerdem war es sowieso zu spät. Die Schwarzen fuhren herum. Bevor sie um Hilfe schreien konnten, sanken sie von Pfeilen gespickt zu Boden. Nur der eine konnte noch einen ächzenden Laut ausstoßen, bevor er reglos liegen blieb. Der Angriff war jedoch nicht unbemerkt geblieben. Vereinzelt erhoben sich nun Schreie, einige weiße Knechte liefen zusammen, mit Macheten und Stöcken bewaffnet, doch gleich darauf brachen auch sie zusammen, zuckend vom tödlichen Gift der Pfeile. Die Sklaven versteckten sich im Feld und in ihren Hütten. Solange sie sich den Angreifern nicht in den Weg stellten, hatten sie nichts zu befürchten– die Kariben wollten Weiße töten. Zena hatte zwei der Indianer schon gesehen, sie kamen von Dominica. Es waren Männer aus dem Stamm, dem sich die Überlebenden aus ihrem Dorf angeschlossen hatten. Offensichtlich stammten sie von Guadeloupe, denn sie kannten das Gelände und hatten sich deshalb heimlich anpirschen können. Mit ihrem Einbaum konnten sie unbeobachtet an jedem beliebigen Küstenabschnitt der Insel landen, weitab von den bekannten Anlegestellen, und sich dann auf Schleichwegen nähern. Sie kamen nicht direkt vom Meer, sondern hatten einen Umweg genommen, um nicht entdeckt zu werden.
    Zwei weiße Arbeiter fielen ihnen zum Opfer. Einem spaltete ein Indianer mit der Machete den Schädel, den anderen durchbohrte ein Speer. Das Ganze ging eigentümlich leise vonstatten, es gab kaum Kampflärm. Die Sklaven und übrigen Arbeiter, die sich versteckt hatten, verhielten sich mucksmäuschenstill, und die wenigen, die sich zum Kampf stellten, waren tot, bevor sie schreien konnten.
    Die Kariben liefen von Hütte zu Hütte. Nun wurde
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