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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
Autoren: Dorothy L. Sayers
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setzen Sie sich, Inspektor, und trinken Sie was, dann erzähle ich Ihnen, wie alles war.«
    Umpelty ließ seinen umfangreichen Körper vorsichtig in einen Sessel sinken und nahm einen Whisky-Soda an.
    »Zunächst einmal, herzlichen Glückwunsch zu Ihren Spürhunden«, sagte Mr. Morecambe fröhlich. »Ich dachte, ich hätte den einen Kerl bei Selfridge abgehängt, aber der andere, der mit den Schnellwechselhüten, ist mir wohl trotz meiner kunstvollen Verwandlung im Kino auf der Spur geblieben. Also, ich nehme an, Sie wollen nun wissen, warum Alfred Morecambe, Provisionsagent aus London, sich als der heruntergekommene Haarkünstler William Bright verkleidet in Wilvercombe herumgetrieben hat. Das kann ich Ihnen nicht verdenken. Ich gebe zu, daß es merkwürdig aussieht. Nun, um es gleich zu sagen – hier ist die Erklärung.«
    Damit hob er einen Stapel Papier vom Schreibtisch hoch und reichte ihn Umpelty hinüber.
    »Ich schreibe ein Stück für meine Frau«, sagte er. »Sie haben sicher schon herausbekommen, daß sie vor unserer Heirat die berühmte Tillie Tulliver war. Ich habe schon das eine oder andere Stück geschrieben – unter dem Namen Cedric St. Denis, Freizeitbeschäftigung, Sie verstehen – und dieses neue Stück handelt nun von den Abenteuern eines Wanderfriseurs. Das Lokalkolorit nimmt man am besten durch eigenes Erleben in sich auf.«
    »Verstehe, Sir.«
    »Ich hätte Ihnen das alles schon damals sagen sollen«, sagte Mr. Morecambe mit ehrlich entschuldigendem Blick, »aber es erschien mir eigentlich nicht notwendig. Ehrlich gesagt, ich hatte die Befürchtung, daß mich das in der City in ein etwas albernes Licht rücken würde. Sehen Sie, ich hatte angeblich aus gesundheitlichen Gründen Urlaub genommen, und wenn mein Partner gewußt hätte, was ich in Wirklichkeit trieb, hätte es ihn sicher gewurmt. Meine Aussage haben Sie ja jedenfalls bekommen, und das war das eigentlich Wichtige – und ich muß gestehen, daß es mir sogar ziemlichen Spaß gemacht hat, Ihnen allen den Taugenichts vorzuspielen. Ich habe das doch recht gut gemacht, nicht? Natürlich nur dank der Anleitung durch meine Frau.«
    »Verstehe, Sir.« Inspektor Umpelty ging gleich auf den springenden Punkt dieser Aussage ein. »Ihre Schilderung der Begegnung mit Paul Alexis war demnach richtig, ja?«
    »In allen Einzelheiten die reine Wahrheit. Natürlich abgesehen davon, daß ich nie die leiseste Absicht hatte, mich umzubringen. Es war einfach so, mich lockte die Aussicht nicht so besonders, meiner Rolle entsprechend die Nacht in einem der Übernachtungsheime zu verbringen, und da wollte ich die bittere Stunde so lange wie möglich hinausschieben. Es stimmt schon, daß ich Alexis ein Märchen über mein herbes Schicksal aufgetischt habe – aber in Wahrheit habe ich von dem armen Teufel natürlich kein Geld genommen. Da war für mich die Grenze. Die Pfundnote, mit der ich dann für die Übernachtung bezahlt habe, war meine eigene. Aber bei der Geschichte mit den Gezeiten hätten Sie mich beinahe erwischt. Mit all diesen malerischen Einzelheiten hatte ich mich wohl ein wenig übernommen.« Er mußte wieder lachen.
    »Na ja, Sir«, sagte der Inspektor. »Da haben Sie uns ja schön an der Nase herumgeführt.« Er besah sich die Manuskriptblätter in seiner Hand, die, soweit er feststellen konnte, Mr. Morecambes Darstellung zu bestätigen schienen. »Es ist aber schade, daß Sie uns nicht ins Vertrauen gezogen haben, Sir. Wir hätten es wahrscheinlich so einrichten können, daß nichts davon in die Zeitungen gekommen wäre. Aber – wenn ich jetzt eine neue Aussage von Ihnen aufnehme, ist das aus der Welt.«
    Er legte für eine Sekunde den Kopf schief, als ob er lauschte, dann fuhr er schnell fort:
»Ich nehme an, daß Ihre jetzige Aussage lediglich Ihre Aussage bei der gerichtlichen Voruntersuchung bestätigen wird. Sie haben nichts hinzuzufügen?«
    »Absolut nichts.«
    »Sie sind zum Beispiel noch nie und nirgendwo diesem Mr. Henry Weldon begegnet?«
    »Weldon?«
    »Der Mann, den ich im Auto mitgenommen hatte«, half Mrs. Morecambe nach, »dessen Mutter mit dem Toten verlobt war.«
    »Ach, den meinen Sie? Nein, den habe ich noch nie im Leben gesehen. Ich glaube auch nicht, daß ich ihn wiedererkennen würde, wenn ich ihn jetzt sähe. Er ist doch auch gar nicht als Zeuge aufgetreten, oder?«
    »Nein, Sir. Sehr schön. Also, wenn Sie wollen, nehme ich jetzt Ihre Aussage auf. Ich rufe nur rasch meinen Kollegen, wenn Sie nichts dagegen haben
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