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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Autoren: Dorothy L. Sayers
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lächelten in der Frühlingssonne und nickten im Wind, der durch das offene Fenster hereinfuhr. Die Tür ging auf, und Seine Lordschaft blickte von der schönen Ausgabe der Contes de La Fontaine auf, deren wunderhübsche Fragonard-Stiche er gerade mittels einer Lupe untersuchte.
    «Morgen, Bunter. Was gibt’s?»
«Ich habe festgestellt, Mylord, daß die fragliche junge Person in den Dienst der älteren Herzogin von Medway getreten ist. Ihr Name ist Célestine Berger.»
«Sie drücken sich nicht mit der gewohnten Präzision aus, Bunter. Wer von der Bühne kommt, heißt niemals Célestine. Sie hätten sagen sollen: ‹Unter dem Namen Célestine Berger.› Und der Mann?»
«Er hat unter dieser Adresse in der Guilford Street in Bloomsbury Wohnung genommen, Mylord.»
«Ausgezeichnet, mein lieber Bunter. Jetzt geben Sie mir den Who’s Who . War es sehr anstrengend?»
«Nicht übermäßig, Mylord.»
«Demnächst gebe ich Ihnen doch noch mal etwas zu tun, was Ihnen gegen den Strich geht», sagte Seine Lordschaft, «und dann werden Sie mich verlassen und ich mir die Kehle durchschneiden. Danke. Sie dürfen jetzt nach draußen spielen gehen. Ich esse im Club zu Mittag.»
Das Buch, das Bunter seinem Brotgeber reichte, trug auf dem Umschlag tatsächlich die Aufschrift Who’s Who , aber man konnte es in keiner öffentlichen Bibliothek und keinem Buchladen finden. Es war ein dickes, teils in Mr. Bunters kleiner, druckbuchstabenähnlicher Schrift, teils in Lord Peters säuberlicher und ganz und gar unleserlicher Handschrift eng beschriebenes Manuskript und enthielt die Biographien der unwahrscheinlichsten Leute sowie die unwahrscheinlichsten Angaben über die bekanntesten Leute. Lord Peter schlug einen sehr langen Eintrag unter dem Namen «Herzoginwitwe von Medway» auf. Er schien mit dem, was er las, hochzufrieden, denn nach einer Weile lächelte er, klappte das Manuskript zu und ging zum Telefon.
«Ja – hier Herzogin von Medway. Was gibt es?»
Die tiefe, rauhe alte Stimme gefiel Lord Peter. Im Geiste sah er das gebieterische Gesicht und die aufrechte Gestalt der einstmals berühmtesten Schönheit im London der sechziger Jahre vor sich.
«Herzogin – hier ist Peter Wimsey.»
«Ach, und wie geht es Ihnen, junger Mann? Von Ihrem Europabummel zurück?»
«Soeben heimgekehrt – und nun kann ich es kaum erwarten, der faszinierendsten Dame Englands meine Verehrung zu Füßen zu legen.»
«Der Himmel steh mir bei, mein Kind, was wollen Sie von mir?» fragte die Herzogin. «Junge Burschen wie Sie schmeicheln einer alten Frau nicht umsonst.»
«Ich möchte Ihnen meine Sünden beichten, Herzogin.»
«Sie hätten in der großen alten Zeit leben sollen», sagte die Stimme beifällig. «Bei dem jungen Gemüse von heute sind Ihre Talente verschwendet.»
«Darum möchte ich ja mit Ihnen reden, Herzogin.»
«Nun, mein Lieber, wenn Sie Sünden begangen haben, die anzuhören es sich lohnt, freue ich mich auf Ihren Besuch.»
«Sie sind ebenso ungemein gütig wie charmant. Ich komme heute nachmittag.»
«Ich werde für Sie und sonst für niemanden dasein. Bitte sehr.»
«Verehrteste, ich küsse Ihre Hände», sagte Lord Peter und hörte noch ein tiefes, leises Lachen, bevor die Herzogin auflegte.
«Sie können sagen, was Sie wollen, Herzogin», sagte Lord Peter von seinem Ehrfurchtsplatz auf dem Kaminhocker aus, «aber Sie sind die jüngste Großmutter Londons, wobei ich meine eigene Mutter nicht ausnehme.»
«Die liebe Honoria ist doch noch das reinste Kind», sagte die Herzogin. «Ich habe zwanzig Jahre mehr Lebenserfahrung und bin in das Alter gekommen, in dem man sich damit brüstet. Und ich habe die feste Absicht, auch noch Urgroßmutter zu werden, bevor ich sterbe. Sylvia heiratet in vierzehn Tagen, und zwar diesen dummen Sohn von Lord Attenbury.»
«Abcock?»
«Ja. Er hält die schlechtesten Jagdpferde, die ich je gesehen habe, und weiß Champagnerwein nicht von Sauterne zu unterscheiden. Aber Sylvia ist ja ebenfalls dumm, das arme Kind, da werden sie wohl zauberhaft miteinander auskommen. Zu meiner Zeit brauchte man entweder Grips oder Schönheit, um es zu etwas zu bringen, am besten beides. Heutzutage scheint es zu genügen, wenn man überhaupt keine Persönlichkeit hat. Aber mit dem Vetorecht des Oberhauses ist der Gesellschaft auch der Verstand abhanden gekommen. Sie nehme ich da aus, Peter. Sie haben Talente. Es ist ein Jammer, daß Sie sie nicht in der Politik zur Geltung bringen.»
«Aber Verehrteste, Gott behüte!»
«Vielleicht
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