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Will Trent 03 - Letzte Worte

Will Trent 03 - Letzte Worte

Titel: Will Trent 03 - Letzte Worte
Autoren: Karin Slaughter
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Stufe gestellt, während der kalte Wind die Karosserie schaukelte wie eine Kinderwiege. Dan Brock, der Besitzer des örtlichen Begräbnisinstituts, der auch als Coroner der Stadt fungierte, schlief in seinem Transporter, den Kopf an der Nackenlehne, den Mund weit offen. Sogar die Notfallsanitäter saßen geschützt in ihrem Krankenwagen. Lena sah ihre Gesichter durch die Fenster in den Hecktüren spähen. Hin und wieder wurde eine Hand herausgestreckt, eine Zigarette glühte im dämmrigen Morgenlicht.
    Lena hatte eine Beweismitteltüte in der Hand. Sie enthielt einen Brief, den man in Ufernähe gefunden hatte. Das Papier war von einem größeren Blatt abgerissen worden – liniertes Papier, in etwa DIN -A 5. Die Wörter waren in Großbuchstaben geschrieben. Mit Kugelschreiber. Eine Zeile. Keine Unterschrift. Nicht der übliche gehässige oder klägliche Abschied, sondern klar und deutlich: ICH WILL ES VORBEI HABEN .
    In vielerlei Hinsicht sind die Ermittlungen bei einem Selbstmord schwieriger als bei einem Mord. Bei einem Ermordeten gibt es immer jemanden, dem man die Schuld geben kann. Es gibt Spuren, die einem zum Täter führen können, ein klares Muster, das man darlegen kann, um der Familie zu erklären, warum ihnen die geliebte Person entrissen worden ist. Oder wenn schon nicht warum, dann wer der Mistkerl ist, der ihr Leben ruiniert hat.
    Bei Selbstmorden ist das Opfer der Mörder. Die Person, auf der die Schuld lastet, ist auch die Person, deren Verlust am tiefsten empfunden wird. Sie ist nicht mehr da, um sich den Anschuldigungen wegen ihres Todes zu stellen, der natürlichen Wut, die jeder empfindet, wenn er einen Verlust erlitten hat. Was die Toten stattdessen hinterlassen, ist eine Leere, die all der Schmerz und der Kummer in der Welt nie werden füllen können. Mutter und Vater, Schwestern, Brüder, Freunde und andere Verwandte – alle stehen mit leeren Händen da und finden niemanden, den sie für ihren Verlust bestrafen können.
    Und die Menschen wollen immer bestrafen, wenn ein Leben unerwartet genommen wird.
    Das war der Grund, warum es hier Aufgabe der Ermittler war, dafür zu sorgen, dass jeder Zentimeter des Fundorts und des Schauplatzes des Todes penibel vermessen und aufgezeichnet wurde. Jede Zigarettenkippe, jeder Papierfetzen, jedes Stück weggeworfenen Mülls musste katalogisiert, auf Fingerabdrücke überprüft und für eine Analyse ins Labor geschickt werden. Im Anfangsbericht wurde auch das Wetter notiert. Die verschiedenen Beamten und das Notfallpersonal wurden in einer separaten Liste registriert. Falls Schaulustige vorhanden waren, wurden Fotos gemacht. Autokennzeichen wurden überprüft. Das Leben des Selbstmordopfers wurde so gründlich durchleuchtet wie das eines Mordopfers: Wer waren ihre Freunde? Wer waren ihre Liebhaber? Gab es einen Ehemann? Einen Freund? Eine Freundin? Gab es wütende Nachbarn oder neidische Arbeitskollegen?
    Lena wusste nur, was sie bis jetzt gefunden hatten: ein Paar Frauensportschuhe in Größe 8, darunter der Abschiedsbrief. Im linken Schuh lag ein billiger Ring – zwölfkarätiges Gold mit einem leblosen Rubin in der Mitte. Der rechte Schuh enthielt eine weiße Swiss-Army-Armbanduhr mit falschen Diamanten anstelle der Ziffern. Unter diesem Schuh lag der zusammengefaltete Zettel.
    ICH WILL ES VORBEI HABEN .
    Kein großer Trost für die Hinterbliebenen.
    Plötzlich stieß, Wasser aufspritzend, einer der Taucher durch die Seeoberfläche. Sein Partner tauchte neben ihm auf. Beide mussten gegen den Schlick auf dem Seegrund ankämpfen, um die Leiche aus dem kalten Wasser und in den kalten Regen zu zerren. Das tote Mädchen war klein und zierlich, was ihre Anstrengungen übertrieben wirken ließ, aber Lena sah schnell den Grund dafür. Eine schwere Kette war um ihre Taille gewickelt und mit einem leuchtend gelben Vorhängeschloss befestigt, das ihr wie eine Gürtelschnalle ziemlich tief vor dem Bauch hing. An der Kette waren zwei Waschbetonblöcke befestigt.
    Manchmal erlebte man bei der Polizeiarbeit Wunder. Die Frau hatte offensichtlich sicherstellen wollen, dass sie es nicht mehr aus dem See herausschaffte. Ohne das Gewicht der Waschbetonblöcke hätte die Strömung die Leiche wahrscheinlich in die Mitte des Sees getrieben, was es so gut wie unmöglich gemacht hätte, sie zu finden.
    Lake Grant war ein etwa dreizehnhundert Hektar großes, künstlich angelegtes Gewässer, das an einigen Stellen bis zu hundert Meter tief war. Unter der Oberfläche standen
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