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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis
Autoren: R Parker
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lächelte. „Als es zu Ende ging, hast du keine Knarre gebraucht.“
    „Ich konnte nicht schießen. Ich habe es gewollt. Ich habe gewusst, dass ich schießen müsste. Aber ich konnte nicht. Nicht aus der Nähe, nicht, so lange ich seine Augen sah.“
    „Du hast getan, was du tun musstest“, sagte sie.
    Das Kanu war vom Kurs abgekommen, und er veränderte die Paddelstellung. Trotz des verletzten Arms war er so viel stärker als sie, dass das Boot keinen geraden Kurs hielt, wenn er nicht gegensteuerte.
    „Und du hast es allein getan“, setzte sie hinzu.
    Die Sonne stand direkt über ihnen, es war windstill, der See war glatt wie ein Spiegel, das Kanu glitt darüber hinweg, ohne Widerstand zu finden.
    „Ohne mich“, sagte sie.
    Er konnte jetzt den Ponton vor der Blockhütte und den kleinen Steg erkennen. Der Wald begann sich zu färben, im Laub waren Inseln von Gold und Rot zu sehen.
    „Als wir aus Korea zurückkamen“, sagte er, „und unter der Golden Gate Bridge in die Bucht von San Francisco einfuhren, haben sie über die Schiffslautsprecher Musik von einem Sender aus San Francisco gespielt, wir haben amerikanisches Radio und Werbung gehört, noch ehe Land in Sicht war. Und als wir dann durch die Bucht schipperten, sahen wir die hügeligen Straßen von San Francisco und amerikanische Häuser und Menschen und Autos.“ Seine Stimme war so unbewegt wie die Wasserfläche. Janet sah über die Schulter. Er sah sie nicht an. Er blickte an ihr vorbei zum Steg. Sie drehte sich wieder um und tauchte ihr Paddel ein.
    Sie ließen die Paddel im Kanu liegen, als sie angelegt hatten. Sein Arm tat weh, er hatte ihn belasten müssen, um aus dem schwankenden Boot zu steigen. Dannstanden sie zusammen auf dem Steg, und er blickte über den See. Der Wald am anderen Ufer war lückenlos dicht und gleichförmig, auch hier mischte sich Farbe in das Grün. Der See war noch immer still und glatt. Er hatte sich über der Bugwelle des Kanus geschlossen, wie er sich über dem Karabiner geschlossen hatte und über Adolph Karl.
    „Schön“, sagte er.
    „Ja.“
    „Aus der Entfernung.“
    „Im Rückblick“, sagte sie.
    Sie gingen auf die Blockhütte zu. Er schwankte leicht. Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. „Geht es dir gut?“
    „Ja. Nur müde bin ich. Kämpfen macht müde. Und ich habe nichts gegessen. Und Blut verloren. Mir ist ein bisschen schwindlig.“
    „Komm ins Haus, da kannst du dich hinlegen“, sagte sie.
    Er ging sehr langsam den Weg hinauf. Sie ging dicht neben ihm, ohne ihn zu berühren. Die Seitentür war unverschlossen. Sie traten ein. Das Haus war leer und still und fremd. Schwankend und mit klappernden Zähnen blieb er mitten im Zimmer stehen.
    „Zieh das nasse Zeug aus“, sagte sie. „Und leg dich hin. Ich bringe dir einen Schlafsack zum Zudecken und mache Feuer.“
    Er nickte. Sie ging ins Schlafzimmer. Nur die drei Schlafsäcke und der gefüllte Kühlschrank verrieten, dass sie je hier gewesen waren. Sehr umsichtig von Chris, dachte sie.
    Newman ging mit gesenktem Kopf, ohne sich auszuziehen, zur Couch hinüber. Als er mit dem Schienbein an die Kante stieß, ließ er sich vornüber auf die Liegefläche fallen und rührte sich nicht mehr.
    Als Janet mit dem Schlafsack zurückkam, schlief er mit offenem Mund, tief und regelmäßig atmend. Das Feuerholz im Kamin war schon aufgeschichtet. Sie legte den Schlafsack aus der Hand und zündete es an. Dann ging sie zur Couch und zog Aaron Stiefel und Socken aus. Beide Socken hatten große Löcher an der großen Zehe und am Ballen. Sie warf die Socken ins Feuer. Dann schob sie die Hände in seine Hose, löste den Gürtel, zog den Reißverschluss herunter und streifte ihm mühsam den nassen Stoff über Schenkel und Füße. Bei der Unterhose wiederholte sich das Spiel. Sie öffnete den Schlafsack, breitete ihn über Newmans reglosen Körper, nahm seine Hose und seine Unterhose und ging ins Bad.
    Dort standen in einer Nische Waschmaschine und Trockner. Sie ließ Wasser einlaufen, gab Waschmittel dazu und steckte seine Hose und Unterhose hinein. Dann zog sie sich aus, tat ihre Sachen dazu, schloss die Waschmaschine und ging unter die Dusche. Sie stellteden Strahl so heiß, dass sie es gerade noch aushalten konnte, wusch sich zweimal das Haar, seifte den ganzen Körper gründlich ein, spülte nach und fing noch einmal von vorn an. Um die Knöchel klebte immer noch Schmutz. Sie hockte sich hin, von dem heißen Wasser umspült, und seifte sich zum dritten Mal ein.
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