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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht
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Rindern bei einer seltsamen Explosion verantwortlich sein?
    Während Joe noch dastand und überlegte, wie Finotta auf diesen Gedanken gekommen sein mochte, trommelte der Anwalt bereits mit den Fingern auf die Tischplatte – ein Geräusch, das Joe zugleich ärgerte und ablenkte.
    » Joe Pickett …«, sagte Finotta, als versuchte er sich auf seinen Gast zu besinnen. » Ich habe Ihren Namen schon gehört. Sind Sie es nicht, der vor einigen Jahren den Gouverneur wegen Angeln ohne Genehmigung festgenommen hat?«
    Joe errötete erneut bis unter die Haarwurzeln.
    » Und sind Sie nicht der Jagdaufseher, der sich von einem hiesigen Ausrüster die Dienstwaffe wegnehmen ließ und deshalb suspendiert wurde? Und haben Sie nicht meinem guten Freund Vern Dunnegan mit einem Schrotgewehr in die Hüfte geschossen?«
    Joe funkelte Finotta böse an, sagte aber nichts und gestand sich ein, die Lage nicht gut zu handhaben. Er hatte sich aus dem Gleichgewicht bringen und in die Enge treiben lassen.
    » Ich bin gekommen, um Ihnen Meldung über Ihre Rinder zu machen«, gab er zurück, und seine Stimme drohte zu versagen. » Der Sheriff hat mich gebeten, herzufahren, weil er am Tatort zu tun hat. Meine Behörde und ich sind für diese Sache nicht zuständig.«
    » Ach nein?«, fragte Finotta streitsüchtig und richtete sich im Lederstuhl auf. » Es dürfte sich eine Klage darauf stützen lassen, dass wir aufgrund der Politik sowohl der US-Forstverwaltung als auch der Jagd- und Fischereibehörde von Wyoming in unserem Staat viel zu viele Wildtiere haben. Dieser Überfluss führt zu dem falschen Eindruck, die wild lebenden, quasi natürlicheren Geschöpfe würden vom Vieh aus ihrem angestammten Revier verdrängt. Darum haben es die Umweltschützer auf Rinder und Rancher abgesehen, und darum stellen die Wilderer den Tieren des Waldes nach. Und das schafft eine Sachlage, bei der es zu solcher Gewalt kommen kann.
    Ich denke, so ein Rechtsstreit ließe sich gewinnen, wenn Leute meinesgleichen auf den Richterstühlen säßen«, fügte Finotta lächelnd hinzu. Mit seinesgleichen meinte er die Viehzüchter der Gegend. Diese Art der Einflussnahme auf die Rechtsprechung war im Bezirk Saddlestring nicht neu. » Dann würde es nicht nur um Schadensersatz für meine Tiere und um die Anwalts- und Gerichtskosten gehen, sondern auch um eine weiterreichende Entschädigungsleistung.« Er machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte zu steigern. » Oder die Jagd- und Fischereibehörde erspart dem Steuerzahler Hunderttausende und bezahlt einfach die Schadenssumme. Das könnte ohne jedes Aufsehen geschehen, wenn der zuständige Jagdaufseher sich dieser Argumentation in seinem Bericht anschlösse.«
    Joe war verärgert und völlig aus dem Konzept gebracht. Er stellte sich vor, drei schnelle Schritte zu tun und Finotta das süffisante Lächeln aus dem Gesicht zu prügeln. Das würde ihn unmittelbar befriedigen, wäre aber auch das Ende seiner Laufbahn und würde ihm bei der bekannten Neigung des Anwalts, vor Gericht zu ziehen, ohne jeden Zweifel eine Anklage eintragen.
    Joe sah, dass Finotta die Szene gefiel. Der Anwalt genoss es, Menschen, die er für niedriger gestellt hielt, zu demütigen. Darin war er gut. Er kannte die Tricks. Indem er Joe wie einen Narren dastehen ließ, rächte er sich an dessen Jugend. Und den Größenunterschied – Finotta war gut fünfzehn Zentimeter kleiner als Joe – kompensierte er durch seinen wuchtigen Schreibtisch.
    » Joe, ich denke, Sie wissen, wer ich bin«, sagte er nun schmeichelnd. » Und ich weiß, wie wenig der Staat seinen Mitarbeitern zahlt. Ihre Familie würde sich womöglich kommende Weihnachten über ein halbes Rind freuen. Wir sprechen hier über prima Steaks, tolles Roastbeef, super Hamburger – über gutes Fleisch, das keinesfalls mehr als sieben Prozent Fett hat. Ich muss Sie unbedingt auf die Liste unserer Geschenkempfänger setzen.«
    Statt Finotta mit zunehmendem Zorn weiter anzusehen, konzentrierte Joe sich auf den Wapitikopf, den das Glas des Jagddrucks über dem Haarschopf des Anwalts spiegelte. Dabei merkte er, dass ihn etwas an dem Kopf beschäftigte.
    » Haben Sie irgendwelche Fragen, Jagdaufseher?«, fragte Finotta freundlich.
    Joe nickte.
    » Das Wapiti da an der Wand …«, begann er, drehte sich um und betrachtete den mächtigen Hirschkopf mit seinem kräftigen und ausladenden Geweih. Es handelte sich um einen Bullen von ungemeiner und entsprechend selten vorkommender Größe – eines jener
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