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Wiedersehen mit Mrs. Oliver

Wiedersehen mit Mrs. Oliver

Titel: Wiedersehen mit Mrs. Oliver
Autoren: Agatha Christie
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Aber es gehört mir nicht, M. Poirot. Hatten Sie das geglaubt? Nein, nein; es gehört einer Familie Stubbs.«
    »Wer ist das?«
    »Eigentlich niemand«, erklärte Mrs Oliver, »schwerreiche Leute … Ich bin nur beruflich hier …«
    »Wahrscheinlich wollen Sie Lokalkenntnisse für eins Ihrer chefs-d’ouvre sammeln?«
    »Nein, nein. Ich bin zu einem anderen Zweck hier – ich soll einen Mord inszenieren.«
    Poirot starrte sie entgeistert an.
    »Keinen echten Mord«, versicherte Mrs Oliver. »Morgen ist hier ein Gartenfest, und als ein neuartiges Gesellschaftsspiel soll anstatt einer Schatzsuche eine Mörderjagd stattfinden, die ich arrangiere. Man hat mir ein außergewöhnlich hohes Honorar dafür angeboten, dass ich hierherkommen und mir die Sache ausdenken soll. Und eigentlich macht es mir Spaß – es ist wenigstens einmal eine Abwechslung.«
    »Und wie soll das vor sich gehen?«
    »Natürlich werden wir ein Opfer haben und Anhaltspunkte und Leute, die unter Verdacht stehen. Alles ziemlich konventionell, Sie wissen schon, ein Vamp, ein Erpresser, ein junges Liebespaar, ein unheimlicher Butler und so weiter. Man bezahlt zwei Shilling Eintritt, dann gibt man Ihnen den ersten Anhaltspunkt, danach müssen Sie das Opfer finden und die Mordwaffe und sagen, wer’s gewesen ist, und das Motiv feststellen. Natürlich gibt es Preise.«
    »Sehr bemerkenswert«, meinte Poirot.
    »Das Ganze ist gar nicht so leicht, wie es Ihnen erscheinen mag«, sagte Mrs Oliver kläglich, »weil es sich um lebende Menschen mit normaler Intelligenz handelt, und in meinen Büchern brauchen sie nicht viel Verstand zu haben.«
    »Und haben Sie mich herkommen lassen, um Ihnen bei diesem Gesellschaftsspiel zu helfen?«
    Poirot gab sich keine große Mühe, seinen Ärger zu verbergen.
    »Nein, nein – wo denken Sie hin?«, versicherte Mrs Oliver. »Ich habe bereits das Nötige unternommen; alles ist bereit. Nein, ich habe Sie aus einem anderen Grund hergebeten.«
    »Und zwar?«
    Mrs Oliver hob die Hand in die Höhe und war gerade im Begriff, sich verzweifelt durch die Haare zu fahren, als sie sich ihrer neuen komplizierten Frisur erinnerte. Statt dessen machte sie ihren Gefühlen dadurch Luft, dass sie an ihren Ohrläppchen zupfte.
    »Wahrscheinlich bin ich eine alte Närrin – aber ich bilde mir ein, dass hier irgendetwas nicht in Ordnung ist.«

3
     
    W ährend des darauf folgenden kurzen Schweigens starrte Poirot sie an. Dann fragte er scharf: »Irgendetwas nicht in Ordnung? Inwiefern?«
    »Ich weiß es nicht … das sollen Sie ja eben herausfinden; aber ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass man mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hergelockt hat … meinetwegen können Sie mich für verrückt halten, aber ich kann nur sagen, ich wäre nicht erstaunt, wenn morgen hier ein wirklicher Mord geschehen würde!«
    Poirot starrte sie wieder an, und sie starrte herausfordernd zurück.
    »Sehr interessant«, meinte er schließlich.
    »Sie halten mich wohl für völlig übergeschnappt?«, erkundigte sich Mrs Oliver.
    »Auf einen solchen Gedanken würde ich niemals kommen, Madame.«
    »Außerdem weiß ich aus alter Erfahrung, wie viel Sie von Intuition halten.«
    »Man kann die Dinge bei verschiedenen Namen nennen«, sagte Poirot. »Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie irgendetwas gesehen oder gehört haben, das Ihren Argwohn erregt hat, aber dass Sie vielleicht selbst nicht genau wissen, was Sie so beunruhigt. Sie sind sich nur des Resultats bewusst. Wenn ich es vielleicht folgendermaßen ausdrücken dürfte: Sie wissen selbst nicht, was Sie wissen. Wenn Sie wollen, können Sie das Intuition nennen.«
    »Ich komme mir so unbeschreiblich töricht vor, weil ich nichts mit Bestimmtheit behaupten kann«, meinte Mrs Oliver kläglich.
    »Wir werden’s schon herausfinden«, versprach Poirot ermutigend. »Sie glauben, dass man Sie ›unter Vorspiegelung falscher Tatsachen‹ hergelockt hätte, nicht wahr? Können Sie das etwas deutlicher erklären?«
    »Das ist ziemlich verwickelt – es ist doch sozusagen mein Mord; ich habe ihn mir ausgedacht und alles bis ins Detail geplant. Jeder, der Schriftsteller kennt, weiß, dass ihnen nichts so verhasst ist wie die Vorschläge anderer Leute: ›Großartig, aber wäre es nicht besser, wenn A dieses täte und B jenes – wäre es nicht eine wundervolle Idee, wenn A an Stelle von B das Opfer wäre oder wenn D anstatt E den Mord begangen hätte?‹ Dann möchte ich nur antworten: ›Also gut, wenn Ihnen das
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