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Wiedersehen mit Mrs. Oliver

Wiedersehen mit Mrs. Oliver

Titel: Wiedersehen mit Mrs. Oliver
Autoren: Agatha Christie
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bedeutenden Mann wie Sie nicht so einfach in ein wildes Abenteuer hetzen! Ich habe schon oft festgestellt, dass Künstler und Schriftsteller unausgeglichene Menschen sind und die Dinge nicht richtig beurteilen können. Soll ich vielleicht telefonisch ein Telegramm durchgeben: ›Bedaure nicht möglich London zu verlassen‹?«
    Sie griff nach dem Telefon. Poirot hinderte sie daran, den Hörer abzunehmen.
    »Du tout«, sagte er. »Im Gegenteil! Bitte bestellen Sie mir sofort ein Taxi.« Er erhob die Stimme: »George! Packen Sie meine Toilettensachen in den kleinen Handkoffer. Und bitte schnell, sonst verpasse ich meinen Zug.«

2
     
    D er Zug hatte etwas über hundertachtzig Meilen der Gesamtstrecke von zweihundertzwölf Meilen zurückgelegt und absolvierte nun langsam vor sich hin puffend, gleichsam entschuldigend, die letzten dreißig Meilen bis zum Bahnhof von Nassecombe. Nur ein Reisender stieg aus: Hercule Poirot. Er kletterte vorsichtig aus dem Abteil – zwischen den Stufen und dem Bahnsteig war ein gefährlicher Zwischenraum – und sah sich um. Der einzige Gepäckträger war im Innern des Gepäckwagens am Ende des Zuges beschäftigt. Poirot nahm seinen Handkoffer und ging über den Bahnsteig zum Ausgang. Er gab seine Fahrkarte am Schalter ab und verließ das Bahnhofsgebäude.
    Vor dem Bahnhof stand ein großer Humber-Salonwagen, und ein uniformierter Fahrer kam auf ihn zu.
    »M. Hercule Poirot?« erkundigte er sich respektvoll.
    Er nahm Poirot seinen Koffer ab und öffnete den Wagenschlag. Sie fuhren über die Bahnhofsbrücke und bogen in einen Weg ein, der an beiden Seiten von hohen Hecken eingefasst war. Man hatte eine herrliche Aussicht auf einen Fluss und auf nebelblaue Hügel in der Ferne. Der Fahrer hielt einen Augenblick neben der Hecke an.
    »Der Fluss Helm«, erklärte er, »und dort hinten liegt Dartmoor.«
    Es war klar, dass Bewunderung erwartet wurde, und Poirot murmelte pflichtschuldigst: »Magnifique«, obwohl er nicht viel Sinn für Naturschönheit hatte – ein gepflegter Küchengarten hätte ihn mehr beeindruckt. Zwei Mädchen, die mühsam bergauf gingen, kamen am Auto vorüber. Sie trugen kurze Hosen und bunte Kopftücher und schleppten schwere Rucksäcke.
    »Ganz in unserer Nähe ist eine Jugendherberge, Hoodown Park, bis vor kurzem das Eigentum von Mr Fletcher«, erklärte der Fahrer, der sich offensichtlich zum Fremdenführer von Devonshire berufen fühlte. »Die Jugendherbergsvereinigung hat das Grundstück und das Haus gekauft, das im Sommer meistens gepackt voll ist. Über hundert Jugendliche können da übernachten, aber mehr als zwei Nächte dürfen sie nicht bleiben – dann müssen sie weiterwandern. Jungen und Mädchen – hauptsächlich Ausländer.«
    Poirot nickte geistesabwesend. Er dachte – und nicht zum ersten Mal –, dass kurze Hosen, besonders von hinten gesehen, nur bei wenigen weiblichen Wesen vorteilhaft wirkten. Er schloss gequält die Augen. Warum, o warum mussten sich die jungen Damen so zurichten? Diese scharlachroten Schenkel waren ganz besonders reizlos.
    »Sie scheinen schwer beladen zu sein«, murmelte er.
    »Allerdings, und es ist ein weiter Weg vom Bahnhof oder von der Autobus-Haltestelle nach Hoodown Park – über zwei Meilen.« Er zögerte. »Wenn Sie nichts dagegen haben, Monsieur Poirot, könnten wir sie vielleicht ein Stückchen mitnehmen?«
    »Mit dem größten Vergnügen«, stimmte Poirot wohlwollend zu. Hier saß er ganz allein in einem fast leeren Auto, während die beiden jungen Mädchen stöhnend und schwitzend unter der Last ihrer schweren Rucksäcke über die Landstraße wanderten und keine Ahnung hatten, wie man sich anziehen musste, um dem anderen Geschlecht zu gefallen. Der Fahrer ließ den Motor an, fuhr ein paar Meter weiter und hielt neben den beiden Mädchen. Ihre roten, verschwitzten Gesichter blickten ihn erwartungsvoll an.
    Poirot öffnete die Tür, und die Mädchen stiegen ein.
    »Ist sehr liebenswürdig, bitte«, sagte eine der beiden, ein blondes Mädchen, mit einem ausländischen Akzent. »Weg ist länger, als wir dachten, jawohl.«
    Das andere Mädchen, das ein hochrotes, sonnenverbranntes Gesicht und kastanienbraune Locken hatte, die unter dem Kopftuch hervorsahen, nickte nur mehrmals mit dem Kopf, zeigte die Zähne und murmelte: »Grazie!« Das blonde Mädchen fuhr lebhaft fort:
    »Ich nach England kommen für zwei Wochen Ferien. Ich kommen von Holland. Ich mögen England sehr viel. Ich gewesen in Stratford an Avon,
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