Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiedersehen mit Mrs. Oliver

Wiedersehen mit Mrs. Oliver

Titel: Wiedersehen mit Mrs. Oliver
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
an. »Ganz deutlich, wenn man erst einmal weiß, was es ist.«
    »Alles liegt im Auge des Betrachters«, entgegnete Warburton lachend.
    »Das ist eine tiefe Wahrheit.«
    »Der zweite Anhaltspunkt ist in einer Schachtel unter dem Tennisnetz. In der Schachtel liegen die leere Giftflasche und ein loser Korken. Allerdings ist es, wie Sie sehen, eine Schraubflasche, und deshalb ist der Korken der eigentliche Schlüssel.«
    »Ihr Erfindungsgeist ist mir wohl bekannt, Madame, aber ich weiß nicht recht …«
    Mrs Oliver unterbrach ihn.
    »Selbstverständlich haben wir eine Handlung, eine kurze Inhaltsangabe wie bei den Fortsetzungsromanen in illustrierten Zeitschriften.« Sie wandte sich an Captain Warburton. »Sind die Merkblätter gekommen?«
    »Nein, der Drucker hat sie noch nicht geschickt.«
    »Aber er hat es doch fest versprochen.«
    »Ich weiß – im Versprechen sind sie alle groß. Sie sollen aber bestimmt heute Abend um sechs fertig sein, und ich werde selbst mit dem Wagen hinfahren, um sie abzuholen.«
    »Gut.«
    Mrs Oliver seufzte tief auf und wandte sich am Poirot.
    »Also, dann muss ich Ihnen den Inhalt erzählen, obwohl das meine schwache Seite ist. Wenn ich etwas aufschreibe, klingt es völlig klar, aber wenn ich es erzähle, bringe ich alles durcheinander. Ich habe mir abgewöhnt, über die Handlung meiner Kriminalromane zu sprechen, weil mich die Leute immer verständnislos ansehen und fragen: ›Ist das alles? Das kann doch unmöglich genug für ein ganzes Buch sein.‹ Und das ist sehr entmutigend. Außerdem stimmt es nicht, denn wenn ich es schreibe, ist es genug.«
    Mrs Oliver machte eine Pause, dann fuhr sie fort:
    »Also: Peter Gaye ist ein junger Atomwissenschaftler. Er steht im Verdacht, für die Roten zu arbeiten, und ist mit Joan Blunt verheiratet. – Seine erste Frau ist tot, aber das stimmt gar nicht, und sie erscheint auf der Bildfläche, weil sie eine Geheimagentin ist, oder vielleicht auch nicht – denn möglicherweise ist sie wirklich eine Tramperin –, und seine Frau hat ein Verhältnis mit einem Mann namens Loyola, der entweder in Erscheinung tritt, um sich mit Maya zu treffen oder um ihr nachzuspionieren, und dann kommt ein Erpresserbrief, der vielleicht von der Haushälterin stammt, oder vielleicht vom Butler, und der Revolver fehlt, und da man nicht weiß, an wen der Erpresserbrief gerichtet ist, und da die Injektionsspritze beim Abendessen heruntergefallen und danach verschwunden ist …«
    Mrs Oliver unterbrach sich plötzlich, weil sie Poirots Reaktion richtig einschätzte.
    »Ich weiß«, sagte sie mitfühlend, »dass es ziemlich verworren klingt, aber in meinem Kopf ist alles klar, und wenn Sie das Merkblatt mit der Synopsis lesen, werden Sie alles verstehen.« Dann bemerkte sie abschließend: »Außerdem ist die Handlung für Sie ganz unwichtig, nicht wahr? Sie haben nichts zu tun, als die Preise zu verteilen – sehr schöne Preise, der erste Preis ist ein silbernes Zigarettenetui, das wie ein Revolver aussieht – sehr sinnvoll für den Sieger.«
    Poirot dachte, dass der Sieger wirklich über erstaunliche Intelligenz verfügen müsste, und im Grunde genommen bezweifelte er, dass es einen Sieger geben würde. Die ganze Handlung der Mörderjagd schien ihm verschwommen, wie ein undurchdringlicher Nebel.
    Captain Warburton sah auf seine Armbanduhr und meinte gut gelaunt: »So, ich werde mich jetzt auf den Weg zum Drucker machen, um die Merkblätter abzuholen.«
    Mrs Oliver stöhnte.
    »Wenn sie wieder nicht fertig sind …«
    »Sie sind bestimmt fertig; ich habe angerufen. Auf bald!«
    Er verließ das Zimmer.
    Mrs Oliver drückte sofort Poirots Arm und flüsterte heiser: »Haben Sie etwas herausgefunden? Oder haben Sie eine bestimmte Person in Verdacht?«
    Poirot antwortete mit einem milden Vorwurf in der Stimme: »Mir erscheint hier jeder und alles vollkommen normal.«
    »Normal?«
    »Nun, vielleicht ist das nicht das richtige Wort. Lady Stubbs ist, wie Sie sagen, bestimmt nicht ganz normal, und Mr Legge scheint mir etwas ungewöhnlich zu sein.«
    »Ach, der ist ganz in Ordnung«, erklärte Mrs Oliver ungeduldig, »er hat nur einen Nervenzusammenbruch gehabt.«
    Poirot machte keine Einwände, sondern meinte nur:
    »Scheinbar sind alle in einem Zustand nervöser Erregung, allgemeiner Erschöpfung und Überreizung, wie es ja nach den Vorbereitungen zu einem solchen Fest kaum anders zu erwarten ist. Wenn Sie mir nur einen Hinweis geben könnten …«
    »Psst …« Mrs Oliver
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher