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Wiedersehen in Stormy Meadows

Wiedersehen in Stormy Meadows

Titel: Wiedersehen in Stormy Meadows
Autoren: Sarah Harvey
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glaube ich nicht. Über Weihnachten besucht Emilys Familie Verwandte in Genf, und bis zum Ende des Schuljahrs geht Emily natürlich zur Schule.«
    »Also hast du sie über Weihnachten hier?«
    »Sieht ganz so aus. Cassie hat sich noch nicht dazu geäußert. Ist ein schwieriges Thema, auch wenn man mal davon absieht, dass wir kaum miteinander reden.«
    »Und deine Arbeit?«
    »Cassie ist ja alt genug, tagsüber kann ich sie allein lassen, allerdings weiß ich nicht, ob das gut ist. Morgen ist Samstag. Ich will mal sehen, wie sie sich am Wochenende einlebt, und dann entscheide ich mich. Vielleicht könnte ich Urlaub nehmen. Ich glaube, ich muss jetzt für sie da sein.«
    »Die heilige Natalie«, spottet Petra, aber nicht unfreundlich. »Wie kannst du bloß so verständnisvoll sein? Ich finde, deine Cas ist ein Albtraum.«
    »Ach Petra, das soll jetzt nicht überheblich klingen, aber sie tut mir leid.« Ich zucke die Achseln. »Sie hat Rob verloren … Ich kann wirklich nachempfinden, wie sie sich fühlt.«
    Und ich kann auch nachempfinden, wie es ist, wenn man schon als Kind den Vater verliert. Es ist der Weltuntergang. Mein Vater starb genauso unerwartet wie Rob, ich war sechs Jahre alt. Er wirkte kerngesund, aber wenige Tage vor seinem siebenunddreißigsten Geburtstag fiel er tot um. Herzversagen. Ich wurde damit nicht fertig, und meine Mutter war so verzweifelt, dass sie mich nicht trösten konnte.
    »Cassie hat beide Eltern verloren, Petra. An ihre Mutter kann sie sich wohl kaum erinnern, damals war sie noch zu jung, aber kannst du dir vorstellen, was in ihr vorgeht? Wie viel Kummer sie mit sich rumschleppt?«
    Petra nickt nachdenklich.
    »Was machst du denn Weihnachten?«, frage ich sie.
    »Der alte Saftsack macht mit seiner Schreckschraube Urlaub«, antwortet Petra mit gespielter Leichtigkeit. Gemeint sind ihr Lover und seine Ehefrau. »Irgendwo am Golf von Mexiko. Ich hoffe, dass sie da entweder verbrutzelt oder absäuft.« Petra fischt ein zerdrücktes Päckchen Marlboro aus ihrer Handtasche, zündet sich mit verräterisch zitternder Hand eine Zigarette an und inhaliert tief. »Also werde ich mir wohl einen Toyboy vom Weihnachtsmann wünschen und mich den ganzen Tag im Bett vergnügen.«
    Sie zieht wieder an ihrer Zigarette und entspannt sich sichtlich. »Zum Ausgleich hat er mir angeboten, mich in ein todschickes, sündhaft teures Wellnesshotel zu verfrachten, irgendwo unter sengender Sonne. Na ja, entweder will er mich damit trösten, oder er will mich aus dem Weg schaffen – im Moment bin ich mir nicht ganz sicher.« Petra versucht zwar, unbekümmert und fröhlich zu klingen, aber ich merke, dass sie traurig ist.
    »Wie läuft’s denn so mit ihm?«, erkundige ich mich.
    Sie zuckt die Achseln.
    »Ich frage mich oft, was du eigentlich an dem Kerl findest.« Mit einem Seufzer greife ich nach meinem Weinglas.
    »Das frage ich mich auch oft, aber wir machen eben immer so weiter, trotz allem. Er hat ja auch seine guten Seiten.«
    »Zum Beispiel?«
    »Na ja, er braucht zwar im Flieger zwei Sitze, aber die kann er sich immerhin locker leisten.« Sie zwinkert mir zu.
    Dabei meint sie das gar nicht so. Geld ist Petra sehr wichtig, das weiß ich, aber sie verdient selbst ordentlich und hat es nicht nötig, die Kohle anderer Leute auszugeben. Ich habe meine eigene Theorie, warum sie diese perspektivlose Beziehung aufrechterhält. Dieser Mann gibt ihr das Gefühl, dass jemand sich nach ihr sehnt, während er ihr gleichzeitig viel Freiheit lässt. Und vor allem muss sie ihr Herz nicht verschenken, sondern kann es weiter wachsam hüten.
    »Ich weiß ja, dass du das nicht so meinst«, sage ich.
    »Ach nee?«
    »Nee. Aber du hast noch einen Versuch.«
    »Also gut.« Langsam spricht sie weiter: »Er ist größer als ich, und solche Männer sind sehr schwer zu finden. Weißt du, wie das ist, wenn man mit Absätzen eins neunzig groß ist? Und flache Schuhe ziehe ich nicht an, nicht mal für Tom Cruise …«
    Ich beginne zu glucksen, und nachdem ich einmal angefangen habe, kann ich nicht mehr aufhören zu lachen. Endlich kann ich mich von dem Druck befreien, der sich in mir aufgebaut hat.
    Plötzlich jedoch bleibt mir das Lachen im Hals stecken.
    Cassie steht in der Tür. Ihr Gesicht und ihre Augen glühen vor Entrüstung, und sie bebt am ganzen Körper.
    »Was machst du denn hier?«, fragt sie wie eine Mutter, die ihr unartiges Kind ausschimpft. »Du gackerst hier rum wie blöd und säufst Daddys Weinkeller leer, als wäre
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