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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar
Autoren: Joe Schreiber
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verloren.«
    »W-wo bist du jetzt?«
    »Am Canal Grande.« Ich stand mit meiner Reisetasche und dem Gitarrenkoffer an Deck eines Vaporetto, das durch den Kanal rauschte. Über mir schoben sich auf jeder Seite hohe gotische Spitzbögen und zerbröselnde Statuen vorüber. Die Häuser waren von innen beleuchtet wie bei der Fahrt von Piraten der Karibik. Definiere erbärmlich: Du bist in Venedig und alles, was dir dazu einfällt, ist eine Attraktion aus Disney World. »Wir sehen uns im Hotel.«
    »Na h-hoffentlich. Sonst flippt Linus n-noch aus.«
    »Sag ihm, er soll sich beruhigen. Ich bin in einer Stunde oder so dort.«
    »Es ist die Puh-Pensione Guerrato«, sagte er. »Nicht weit von der Rialtobrücke.«
    »Alles klar.«
    »W-was machst du eigentlich?«
    »Eine Stadtrundfahrt.«
    »Es ist doch sch-schon zehn Uhr oder so!«
    »Reg dich ab, ja? Wir sehen uns dann.«
    Norrie wurde einen Moment ganz still, und als er wieder etwas sagte, war in seiner Stimme kein Stottern mehr zu hören.
    »Du suchst sie, stimmt’s?«
    Ich hielt den Atem an. Ich weiß nicht, ob es an der unerschütterlichen Gewissheit in seiner Stimme lag oder einfach daran, dass wir schon so lange befreundet waren, aber ich wusste sofort, dass ich ihn nicht anlügen konnte.
    »Vielleicht.«
    Er machte ein furzendes Geräusch mit dem Mund. »Und w-was ist mit Pu-Paula?«
    »Was ist denn mit ihr?« Meine Antwort kam wahrscheinlich eine Spur zu schnell. »Ich will sie ja nicht betrügen. Wahrscheinlich finde ich Gobi sowieso nicht, aber falls doch, dann trinken wir einen Kaffee zusammen, erzählen uns die neuesten Geschichten und das war’s dann.«
    »Blö-Blödsinn.«
    »Hey, von mir aus kannst du glauben, was du willst!«
    »D-das ist echt eine be-bescheuerte Idee, Mann.«
    Ich atmete tief ein und wieder aus. »Ja. Weiß ich auch.«
    »Ich w-weiß, dass du es weißt«, erwiderte Norrie jämmerlich. »Und ich w-weiß auch, dass du es tro-trotzdem machst.« Wieder schwieg er einen Moment. »Ach, Scheiße. Sag ihr wenigstens einen schö-schönen Gruß.« Und dann, mit mehr Überzeugung: »Und bl-bleib nicht die ganze Nacht w-weg! Wir haben morgen einen Auf-Auftritt!«
    »Alles klar«, sagte ich und legte auf.
    *
    Das Boot schob sich auf die Haltestelle Markusplatz zu, vor uns lag allem Anschein nach die offene Lagune. Am Kai standen zwei Typen in langen Ledermänteln und makellos geputzten spitzen Lederschuhen. Sie rauchten und tranken Espresso aus Pappbechern.
    »Entschuldigung.« Meine Stimme hörte sich froschig und heiser an, als würde sich eine Erkältung ankündigen. »Ich suche Harry’s Bar.«
    »So wie Hemingway, sì? «
    »Genau«, antwortete ich. »Ich meine: vermutlich schon, ja.«
    Der erste Mann lächelte und sagte etwas, dann lachten beide.
    »Tut mir leid, ich spreche kein Italienisch.«
    »Er hat gesagt, dass sogar ein dummer Amerikaner die Bar von hier aus finden kann«, sagte der andere Mann, und als sie sich umdrehten und davongingen, sah ich das Schild hinter ihnen im Fenster, das in Art-Déco-Buchstaben HARRY’S BAR verkündete.
    Jetzt, wo ich direkt davor stand, wusste ich nicht mehr genau, ob ich wirklich reingehen wollte. Ich ging um die Ecke zu der Seite des Gebäudes, die zum Kanal zeigte. Auf Zehenspitzen konnte ich gerade so durchs Fenster schauen. Drinnen saß eine Gruppe modisch gekleideter Gäste an der Bar.
    Ich war richtig.
    Eine Stimme in meinem Kopf flüsterte: Willst du das wirklich tun?
    Aber meine Schritte führten mich bereits hinein.

7
    »Waiting for Somebody«
    – Paul Westerberg
    Harry’s Bar war ein langer gelber Raum, warm und trocken, mit dunklen Holztischen, die unter Wandleuchtern glänzten, und einem alten Metallventilator in der Ecke. Die Bar selbst war gerade lang genug für die Handvoll Gäste, die ich durch das Fenster gesehen hatte. Sie standen dort plaudernd und lachend, als würden sie sich schon ihr ganzes Leben lang kennen. Der Barkeeper trug eine gestärkte weiße Smoking-Jacke. Als ich hereinkam, sagte er nichts, sondern warf nur einen kurzen Blick auf meine nassen Jeans und die Windjacke. Und auf den Gitarrenkoffer zu meinen Füßen.
    »Kann ich einen Mountain Dew oder so was kriegen?«
    »Mountain … Du?«
    »Oder eine Cola?«
    Ein Seufzer. » Sì, Coca.«
    Ich setzte mich ans Ende der Bar neben eine Glasvitrine voller Souvenirs, die man kaufen konnte, nippte an meiner 10-Euro-Cola und starrte die Tür an. Keine Ahnung, was ich dort verloren hatte.
    Gobi und ich hatten in New York von
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