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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben
Autoren: Sandra Maischenberger
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Auch da eine Nachfrage: Können Sie die letzten Veränderungen in der Atompolitik nachvollziehen?
    Â 
    Nur sehr mühsam. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist vor zehn Jahren unter der Verantwortung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer in einer durchaus befriedigenden Weise geregelt worden. Und zwar nicht allein durch ein entsprechendes Gesetz der rot-grünen Koalition, das gegen den lebhaften Widerstand von Union und FDP durchgesetzt werden musste, sondern auch durch eine Vereinbarung mit der Atomwirtschaft. All die Fragen, die jetzt wieder eine Rolle spielen, etwa, ob wir Strom aus anderen Ländern einführen müssen, inwieweit die Strompreise steigen würden und wie und in welchem Umfang die erneuerbaren Energien zu fördern sind, waren beantwortet.
    Dann hat die schwarz-gelbe Bundesregierung das alles im September 2010 über den Haufen geworfen und die Laufzeiten verlängert. Jetzt dreht sie sich ein knappes halbes Jahr später um 180 Grad und will noch schneller aussteigen, als Rot-Grün das beschlossen hat.
    Ich kann mich an keine derart kurzfristige und zugleich politisch totale Kehrtwende erinnern. Und das alles ohne eine ausreichende Befassung des Parlaments. Ja, die Union hat das Thema noch nicht einmal für wichtig genug gehalten, um es auf einem eigenen Parteitag zur Diskussion zu stellen.

    Â 
    Warum hat die Regierung Merkel den rot-grünen Ausstieg aufgekündigt? War das eine Geldfrage, weil die neue Brennelemente-Steuer die Staatsfinnazen aufbessern sollte?
    Â 
    Nein, das denke ich nicht. Es mag eine Rolle gespielt haben, dass einige andere europäische Länder die Kernenergie stark nutzen, so etwa Frankreich, und man sich von ihnen nicht zu sehr unterscheiden wollte. Aber letzten Endes war es wohl der Druck, den die vier großen Energieunternehmen in Deutschland – E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW – auf die Regierung ausübten. Auch wollte man wohl zeigen, dass man die Dinge besser beurteilen könne als Rot-Grün, dass Rot-Grün eigentlich nur Panik verbreite.
    Â 
    Ist die Energiewende, die kommen soll, nur positiv, oder sehen Sie darin für den Bürger kurz- und mittelfristig auch eine finanzielle Last, die er gar nicht tragen möchte?
    Â 
    Zwischenzeitlich sind ja alle politischen Kräfte in der Bundesrepublik für den Ausstieg aus der Atomenergie. Es ist sogar ein Wettlauf in Gang gekommen darüber, wer früher aussteigt. Das ist ein einmaliger Vorgang, und das sehe ich insgesamt positiv. Natürlich wird es bei der Realisierung noch genügend Probleme geben. So bei der Aufstellung von Windrädern, beim Bau von Fernleitungen und in finanzieller Hinsicht. Das wissen die Bürger. Aber diese Probleme sind lösbar, wenn das Mögliche rechtzeitig getan wird.
    Â 
    Und Sie halten den Ausstieg für unumkehrbar?
    Â 
    Es würde der Politik einen schlimmen Schlag versetzen, wenn die Union oder die FDP noch einmal einen Purzelbaum schlagen würde. Nein, das nehme ich nicht an. Und das will ich auch niemandem unterstellen. Angela Merkel und Umweltminister Norbert Röttgen schon gar nicht. Sie würden ja damit auch ihre eigene Partei völlig ruinieren.
    Noch etwas: Der Ausstieg wird den Ausbau der erneuerbaren Energien, der bei uns ja schon erheblich fortgeschritten ist, weiter beschleunigen. Unsere jetzt bereits weltweit führende Rolle auf diesem Gebiet wird deshalb noch zunehmen und sich auch in wirtschaftlichen Erfolgen niederschlagen.

    Â 
    Wird das Jahr 2011, was unsere Haltung zur Energie betrifft, eine nachhaltige Zäsur bedeuten?
    Â 
    Ja, und zwar über unser Land hinaus. Wenn uns der Atomausstieg gelingt, wird das in ganz Europa, ja sogar weltweit die Diskussion beleben. Ich bin sicher, dass wir da etwas anstoßen können, aber nicht im Sinne einer Belehrung der anderen, sondern im Sinne: »Kommt zu uns und schaut es euch an.« Ich könnte mir vorstellen, dass die Menschen in anderen Ländern sensibler werden, was Atomenergie anbelangt. So hat sich der Schweizer Bundesrat im Mai 2011 für einen langfristigen Ausstieg aus der Kernenergie mit dem Ziel entschieden, das letzte Schweizer Atomkraftwerk 2034 stillzulegen. Und selbst in Japan sind erstmals Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Kernkraft zu demonstrieren.
    Ãœbrigens: Wir sollten nicht vergessen, dass Österreich das erste Land der Welt war, das sich schon 1978 in einem Volksentscheid gegen die
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