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Wie man mit einem Lachs verreist

Wie man mit einem Lachs verreist

Titel: Wie man mit einem Lachs verreist
Autoren: Umberto Eco
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American Express an, die Nummer meiner Kreditkarte wird in die ganze Welt signalisiert, und tags darauf habe ich die neue Karte. Wie schön ist das Leben in der Zivilisation, sage ich mir. Dann mache ich eine Aufstellung meiner anderen verlorenen Papiere und erstatte Anzeige beim Präsidium: zehn Minuten. Wie
    schön, sage ich mir, wir haben eine Polizei wie die
    niederländische.
    Unter den Ausweisen war eine Mitgliedskarte des
    Journalistenverbandes, und nach drei Tagen erhalte ich
    glücklich ein Duplikat. Wie schön.
    Leider war auch mein Führerschein dabei. Nicht so schlimm, denke ich mir, das betrifft die allmächtige Automobilindustrie, uns blüht ein italienischer Ford, wir sind ein Land voller Autobahnen. Ich rufe beim Automobilclub an und höre, daß es genüge, die Nummer des
    verlorenen Führerscheins
    anzugeben. Leider hatte ich sie mir, wie ich nun merke, nie irgendwo notiert - es sei denn genau auf dem Führerschein. Ich frage, ob sie nicht unter meinem Namen nachsehen könnten,
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    um die Nummer zu finden. Aber das scheint nicht möglich zu sein.
    Ich muß Auto fahren, koste es, was es wolle, und so beschließe ich, etwas zu tun, was ich normalerweise nicht tue, nämlich abgekürzte und privilegierte Wege zu gehen. Normalerweise vermeide ich das, denn Freunde oder Bekannte zu belästigen ist mir unangenehm, und ich hasse diejenigen, die dasselbe mit mir tun, außerdem lebe ich schließlich in Mailand, wo es, wenn man eine Bescheinigung von der Kommune braucht, nicht nötig ist, mit dem Bürgermeister zu telefonieren, es geht schneller, wenn man sich brav vor dem Schalter anstellt, wo es relativ zügig vorangeht. Aber nun ja, wie es eben so ist, das Auto macht uns alle ein bißchen nervös, ich rufe also in Rom eine Hohe Persönlichkeit vom Automobilclub an, die mich mit einer Hohen Persönlichkeit vom Automobilclub in Mailand verbindet, die ihrer Sekretärin sagt, sie solle tun, was sie könne. Sie kann leider nur sehr wenig, trotz ihrer Freundlichkeit.
    Sie lehrt mich einige Tricks, drängt mich, nach einer alten Avis-Quittung zu suchen, auf der meine Führerscheinnummer steht, hilft mir, die vorgeschalteten Formalitäten in einem Tag zu erledigen, und erklärt mir dann, wo ich hingehen müsse, nämlich in das Ufficio Patenti, die Führerscheinabteilung der Präfektur, eine enorme Schalterhalle, gerammelt voll von verzweifelten und übelriechenden Menschen, so etwas wie der Hauptbahnhof von Neu-Delhi in Filmen über die Revolte der Cipays, wo die Wartenden, die sich Horrorgeschichten erzählen (»Ich bin hier seit der Zeit des Libyen-Krieges«), mit
    Thermosflaschen und Brötchen kampieren und am vorderen
    Ende der Schlange ankommen, wie es mir passiert, wenn der Schalter gerade schließt.
    In jedem Falle, muß ich sagen, ist es nur eine Sache von wenigen Tagen des Schlangestehens, in deren Verlauf man jedesmal, wenn man vorne beim Schalter ankommt, erfährt, daß man noch ein weiteres Formular ausfüllen oder noch eine weitere Stempelmarke kaufen und sich dann wieder hinten anstellen muß. Aber das ist bekanntlich normal. Alles in
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    Ordnung, sagt man mir schließlich, kommen Sie in zwei
    Wochen wieder. Bis dahin: Taxi.
    Zwei Wochen später, nach Übersteigen einiger Antragsteller, die inzwischen zusammengebrochen sind und im Koma liegen, eröffnet man mir am Schalter, daß die Führerscheinnummer, die ich der alten Avis-Quittung entnommen hatte, sei's wegen eines Abschreibefehlers, sei's wegen mangelnder Qualität des Kohlepapiers, sei's wegen fortgeschrittener Zersetzung des bejahrten Dokuments, nicht die richtige sei. Man könne nichts machen, wenn ich die richtige Nummer nicht wisse. »Gut«, sage ich, »sicher können Sie keine Nummer suchen, die ich Ihnen nicht zu nennen weiß, aber Sie können doch unter dem Namen Eco suchen und die Nummer dort finden.« Mitnichten: sei's aus Böswilligkeit, sei's aus Arbeitsüberlastung, sei's daß die Führerscheine nur unter den Nummern archiviert worden sind, jedenfalls ist das nicht möglich. Versuchen Sie's doch mal da, wo Sie den Führerschein ursprünglich gemacht haben, wird mir geraten, also in Alessandria, vor Jahrzehnten. Dort müßte es möglich sein, Ihre Nummer zu finden.
    Ich habe keine Zeit, nach Alessandria zu fahren, auch weil ich ja nicht mit dem Auto hinfahren darf, und so versuche ich es mit der zweiten Abkürzung: Ich telefoniere mit einem alten
    Schulkameraden, der jetzt eine Hohe Persönlichkeit im dortigen Finanzamt
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