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Wie man die richtige Arbeit für sich findet

Wie man die richtige Arbeit für sich findet

Titel: Wie man die richtige Arbeit für sich findet
Autoren: Roman Krznaric
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selbst eingeschlossen – hauptsächlich Plackerei bedeutet und auch immer bleiben wird. Vergessen Sie den berauschenden Traum von Erfüllung, und denken Sie an Mark Twains Worte: »Arbeit ist ein notwendiges Übel, das es zu vermeiden gilt.« Von der Sklavenarbeit beim Bau der Pyramiden bis zu den seelenlosen McJobs im Dienstleistungssektor des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist die Geschichte der Arbeit eine der Entbehrungen und der Langeweile. Das zeigt sich schon in dem Begriff selbst. Das russische Wort für Arbeit, robota , leitet sich von dem Wort für Sklave her, rab . Das lateinische labor bedeutet Schinderei oder Mühsal, das französische travail stammt von tripalium ab, einem Folterinstrument im antiken Rom. 2 Wir könnten uns daher der frühchristlichen Auffassung anschließen, derzufolge Arbeit ein Fluch ist, die Strafe für die im Paradies begangenen Sünden, mit der Gott uns dazu verurteilt hat, unser Brot im Schweiße unseres Angesichts zu essen. Falls die Bibel spirituell nicht Ihrem Geschmack entspricht, versuchen Sie es mit dem Buddhismus, der sagt, das ganze Leben sei nichts als Leiden. »Leid entsteht«, schreibt der buddhistische Gelehrte Stephen Batchelor, »wenn man sich das Leben anders ersehnt, als es ist.« 3 Die Botschaft der Schule des lächelnden Ertragens lautet, dass wir das Unvermeidliche hinnehmen und uns mit dem Job abfinden müssen, den wir kriegen können, sofern er unseren Finanzbedarf deckt und uns genügend Zeit lässt, unser »wahres Leben« außerhalb der Bürostunden zu führen. Den optimistischen Schlaumeiern, die uns mit ihrem Gerede von Erfüllung am Arbeitsplatz nerven, sollte man eine robuste Philosophie des Hinnehmens, ja sogar der Resignation entgegensetzen und sich auf eine aufreibende Suche nach einer sinnvollen Tätigkeit gar nicht erst einlassen.
    Etwas mehr Hoffnung habe ich aber doch und plädiere deshalb für eine andere Haltung: nämlich für den Glauben, dass es möglich ist, eine Arbeit zu finden, die das Leben bereichert, den Horizont erweitert und unser menschliches Gefühl stärkt. Der Anspruch, Erfüllung im Beruf zu finden, verbreitete sich im Westen zwar erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, seine Wurzeln aber reichen zurück bis zum Individualismus der europäischen Renaissance. Dies war die Epoche, in der die persönliche Einzigartigkeit jedes Menschen zum ersten Mal besonders betont und gefeiert wurde. Der Renaissance verdanken wir enorme Fortschritte in den Künsten und den Wissenschaften, die dazu beigetragen haben, die Fesseln mittelalterlicher religiöser Dogmen und sozialer Konformität abzustreifen. Sie brachte aber auch so hochindividualisierte kulturelle Innovationen hervor wie das Selbstporträt, das intime Tagebuch, das Genre der Autobiographie und das persönliche Briefsiegel. Mit alledem legitimierte sie den Gedanken von der Selbstbestimmung der eigenen Identität und des eigenen Schicksals. Wir sind die Erben dieser Tradition des Ausdrucks der eigenen Persönlichkeit. Genauso wie wir Individualität durch unseren Kleidungsstil oder unseren Musikgeschmack ausdrücken, sollten wir auch nach einer Arbeit suchen, in der wir zum Ausdruck bringen können, wer wir sind und wer wir sein wollen.
    Manche, insbesondere Menschen, die aufgrund von Armut oder Diskriminierung an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind, werden allerdings kaum die Möglichkeit haben, dieses Ziel zu erreichen. Das räume ich ausdrücklich ein. Wer seine Familie vom Mindestlohn ernähren oder in einer Zeit der wirtschaftlichen Krisen im Jobcenter seines Wohnorts in der Schlange stehen muss, dem wird die Vorstellung von einem Beruf, der das Leben bereichert, wie Luxus vorkommen.
    Für die Mehrzahl der Menschen in der westlichen Wohlstandsgesellschaft jedoch ist die Vorstellung von einer sie erfüllenden Arbeit keine Utopie. Not und Elend gehören der Vergangenheit an. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand morgens nach dem Aufstehen keine andere Wahl hat, als vierzehn Stunden in einer Spinnerei in Lancashire oder als Baumwollpflücker auf einer Sklavenplantage in Mississippi zu schuften. Wie wir noch sehen werden, haben sich die Karriereoptionen im Verlauf des vorigen Jahrhunderts erheblich vermehrt, wodurch ganz neue sinnvolle Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden. Auch die Messlatte liegt höher: Wir erwarten wesentlich mehr von unserer Arbeit als frühere Generationen. Aber für den Fall, dass jemand uns die brenzlige Frage stellt: »Und was machen Sie?«,
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