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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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gesprochen habe, zeigte ich mal so ein Gedicht, gab es als »unbekannten Kästner« aus. Sie sah mich etwas zweifelnd an und meinte dann: »Na ja, seinen Stil muss jeder erst finden.« Sie wusste natürlich, von wem der »unbekannte Kästner« war, hat aber nichts weiter dazu gesagt.
    H ILDEBRANDT: Eine kluge Frau.
    E NSIKAT: Später habe ich dann den Brecht nachgeahmt. Da versuchte ich, zu schreiben wie Brecht und zu sprechen wie die Weigel.
    H ILDEBRANDT: Die Weigel konntest du nachmachen?
    E NSIKAT: Abrrr ja! Abrrr ja! Ich habe als Oberschüler ganz schamlos Gedichte im Weigel-Ton vorgetragen. Und meine Mitschüler haben mir ergriffen gelauscht. Als ich dann zur Theaterhochschule kam, haben wir so was aus Jux gemacht – das waren dann Politikerimitationen, Ulbricht vor allem, der reine Studentenulk.
    H ILDEBRANDT: Dafür halte ich das heute noch, diese Politikerstimmen-Imitation.
    E NSIKAT: Bei der Vorbereitung auf meine Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule hatte mir zuerst mein Deutschlehrer geholfen. Der hat mich beraten bei der Auswahl der Rollen und hat sie dann mit mir einstudiert. Er wollte ja selbst mal Schauspieler werden. Er riet mir zur Grabrede des Marc Anton an der Bahre des Cäsar. Als Achtzehnjährigem! Ich habe sein ganzes Pathos übernommen. Der Regisseur Horst Schönemann, bei dem ich diese erste Prüfung abgelegt hatte, arbeitete dann mit mir an allen anderen Rollen für das Vorsprechen in Leipzig. Nur nicht am Marc Anton. Den sollte ich genau so vorsprechen, wie ich’s von meinem Lehrer gelernt hatte. Ich kann mich nicht erinnern, dass da einer gelacht hätte.
    H ILDEBRANDT: Und wie bist du dann zum Kabarett gekommen?
    E NSIKAT: Das begann noch an der Schauspielschule. Wir Studenten saßen da nächtelang zusammen und sonnten uns in hochtrabenden Gesprächen über die ganzgroße Kunst. Da trug ich dann manchmal meine Gedichte vor. Das war nicht mehr Kästner oder Brecht. Das war schon was Eigenes, wenn ich mich richtig erinnere. Ziemlich abstruses Zeug. Je unverständlicher, desto größer war ja die Kunst.
    H ILDEBRANDT: Diese Art Lyrik hat eine Sprache entwickelt, die nur noch Insekten, nein, die man nur noch in Sekten versteht. Die verstehen sich nur noch gegenseitig. Und nicht mal das ist sicher.
    E NSIKAT: So was hab ich damals auch geschrieben und mit dunkler Stimme vorgetragen.
    H ILDEBRANDT: Mit der Weigel-Stimme!
    E NSIKAT: Nein, die hatte ich hinter mir. Es könnte schon meine eigene Stimme gewesen sein. Nach so einem Vortrag jedenfalls fragte mich mein Mitstudent Peter Sodann, ob ich nicht Lust hätte, mal was zu schreiben, was man auch brauchen könne. Als ich ihn tiefbeleidigt fragte, was das denn sein solle, meinte er: »Ein Kabaretttext zum Beispiel.« Das hielt ich für weit unter meiner Würde, aber doch leicht machbar. Ein ganzes Jahr habe ich gebraucht, um einen kleinen Text zustande zu bringen, den Sodann und seine Mitspieler beim »Rat der Spötter«, dem Leipziger Studentenkabarett, für spielbar hielten und ins Programm nahmen. Wäre der »Rat der Spötter« ein Jahr später nicht verboten worden und hätte die Stasi nicht Buch geführt, ich wüsste kein Wort mehr von meinen ersten Texten. Aber sie haben ja gewissenhaft mitgeschrieben. Du siehst, es war nicht alles schlecht an der Stasi.
    H ILDEBRANDT: Wie war das mit dem Verbot? Wer hat das eigentlich ausgesprochen?
    E NSIKAT: Ich habe zunächst gar nichts mitbekommen, denn ich lag im Krankenhaus. Zuerst war es, glaube ich, die Parteileitung der Universität, die das Verbot ausgesprochen hat. Und als die »Spötter« das nicht eingesehen haben und mit dem verbotenen Programm in ihrem Keller einfach aufgetreten sind, hat wohl die Stasi eingegriffen.
    H ILDEBRANDT: Partei und Stasi in Personalunion?
    E NSIKAT: Mit der Justiz. Die kam dann auch dazu. Aber von alldem wusste ich ja nichts in meinem Krankenzimmer. Als ich da entlassen wurde, war mein erster Gang natürlich in den »Spötterkeller«, den wir gemeinsam gebaut und eingerichtet hatten. Als ich da runterkomme, denke ich, hier dreht der Westen einen Stasifilm. Lauter Männer in solchen dunklen Ledermänteln, absolutes West-Klischee. War’s aber nicht. Am Dialekt erkannte ich, dass die echt waren. Dieses Sächsisch kann keiner, der nicht von da stammt. Meine Freunde, die da eingeschüchtert rumsaßen, gaben mir versteckte Zeichen. Ich fragte möglichst harmlos nach Gomorrha, das war Sodanns Spitzname, den die Stasi zum Glück noch nicht kannte. Dann bin ich ganz
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