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Wie alles begann ... Die Geschichte eines Coming-Out (German Edition)

Wie alles begann ... Die Geschichte eines Coming-Out (German Edition)

Titel: Wie alles begann ... Die Geschichte eines Coming-Out (German Edition)
Autoren: Nik S. Martin
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gut mit meinem Vater, ihrem Bruder. Beide hatten unterschiedliche Ansichten und auch als Erwachsener musste mein Alter immer den großen Bruder raushängen lassen. Eva hielt dementsprechend keinen großartigen Kontakt, was mir sehr leid tat.
    Inzwischen war es nach zwei Uhr, alle Fenster waren dunkel. Leise schlich ich um das Haus. Vor der Haustür hatte ich schließlich nicht bleiben können, nicht dass noch einer der Nachbarn auf die Idee käme, ich wäre ein Einbrecher. So blieben mir für den Rest der Nacht nur die Gartenstühle, um den Morgen abzuwarten. Leise stellte ich mir zwei Stück aneinander und versuchte eine halbwegs bequeme Position zu finden. Ich gab vermutlich ein bescheuertes Bild ab, doch das kümmerte mich nicht. Ich war so platt, dass ich tatsächlich einschlief.
    Gezwitscher weckte mich auf. Das erste Licht des Tages kroch über den Himmel und das Vogelvieh startete singend in den Morgen. Genervt streckte ich mich aus, versuchte die Verkrampfung loszuwerden, die meine Schlafposition hervorgerufen hatte. Hinter mir wurde schwungvoll eine Jalousie hochgezogen und ich fuhr erschrocken zusammen. Mein Blick schoss nach oben – Eva, im Nachthemd, am offenen Fenster. Sie starrte mich an, als wäre ich ein Geist.
    „Niklas?“, fragte sie ungläubig.
    Ich nickte. „Ich wollte dich nicht so überfallen …“, meinte ich schulterzuckend.
    Sie zog die Brauen nach oben und musterte mich, dann fiel ihr Blick auf meine Sporttasche.
    „Ich mach dir auf, warte da.“ Schon trat sie vom Fenster weg, nur um kurz darauf an der Terrassentür aufzutauchen. Sie hatte einen Morgenmantel übergestreift und hielt mir einladend die Tür auf. Nervös nahm ich meine Tasche und trat ins Haus.
    „Will ich wissen, weshalb du im Morgengrauen mit Gepäck in meinem Garten bist?“
    „Ich bin abgehauen – und ich gehe auf keinen Fall zurück!“
    „Oha. Das hat nicht zufällig etwas mit meinem Bruder zu tun?“ Eva sah mich prüfend an. Die blondierten Haare noch zerzaust vom Schlaf, die Augen hellwach. Sie zog den Morgenmantel enger um sich und verschränkte die Arme.
    „Welche Variante willst du hören, kurz und knapp oder ausführlich?“, fragte ich sie.
    „Wenn ich recht überlege, will ich alles wissen – sofern es relevant ist. Ich mache uns mal Kaffe – du trinkst doch sicher welchen, oder?“
    Ich nickte zustimmend und stellte meine Tasche ab. Anschließend setzte ich mich an ihren Küchentisch.
    „Sind wir allein?“, erkundigte ich mich vorsichtig.
    Eva drehte sich leicht zu mir und runzelte die Stirn. „Ja, warum?“
    „Naja, wenn ich dir das gleich erzähle, möchte ich keine weiteren Zuhörer.“
    „Bei mir hat sich nichts verändert, Niklas. Ich bin mit meinem Geschäft verheiratet … Du musst ja ganz schön was ausgefressen haben.“
    „Nein, nicht wirklich. Wie man es nimmt. Alles Ansichtssache.“
    Sie nickte, während sie zwei Tassen aus dem Schrank nahm. Der Vollautomat setzte sich in Betrieb, knackte mehrfach und zeigte nach einem Spülgang seine Bereitschaft an. Eva füllte die beiden Tassen und setzte sich dann zu mir an den Tisch.
    „Also, was ist so heftig, dass du nicht wieder nach Hause möchtest?“
    Ich griff nach der Zuckerdose und räusperte mich. Ich hatte mich dazu entschlossen, mit der Tür ins Haus zu fallen.
    „Eva, ich bin schwul.“
    Sie blinzelte, sah mich ungläubig an. Mein Herz klopfte wild und ich hatte Angst vor ihrer Antwort. Sie nippte an ihrem Kaffee, stellte die Tasse wieder ab und sagte: „Na und?“
    „Äh …“, ich war baff.
    „Mmm, ich verstehe. Mein werter Bruder findet das nicht berauschend.“
    Ich schnaubte. „Das ist untertrieben. Das Problem daran ist, er hat mich und Josh im Bett erwischt, inflagranti sozusagen. Splitternackt. Entsprechend war seine Reaktion …“
    „Josh ist dein Freund“, stellte sie fest.
    „Wohl eher war, sein Vater hat genauso bescheuert reagiert! Jetzt steht für Josh ein Internat auf dem Programm“, erklärte ich traurig.
    „Das tut mir leid. Was hast du denn jetzt vor?“
    „Genau weiß ich es nicht. Ich will auf keinen Fall zurück. Ich dachte, ich könnte vorerst hier bleiben“, gab ich zu.
    „Tja. Das hast du dir ja leicht vorgestellt. Einfach mal weg von zu Hause, Tante Eva hat sicher Platz für mich, hm? So wird das aber nichts.“
    „Ich geh nicht zurück, dann schlaf ich lieber auf der Straße!“, entfuhr es mir.
    „Halt – immer langsam, ja? Wie ist es mit der Schule?“
    „Weiß nicht, abbrechen
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